Kundenzufriedenheit mit der Verwaltung: Von der Customer Journey zur Citizen Journey
In der Privatwirtschaft ist das Analysetool der Customer Journey (deutsch: Kundenreise) schon lange fest etabliert. Durch die aktive Mitgestaltung der Nutzer und Kunden eines Produkts sowie deren Einbeziehung in die Konzeption und Erprobung dieser Waren soll das Risiko von Fehlentwicklungen und der Einführung voraussichtlich unerfolgreicher Markteinführungen auf ein Minimum gesenkt werden. In der öffentlichen Verwaltung wurde das Konzept beispielsweise bereits bei der Selektion der 115 prioritären Bundesverwaltungsleistungen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) angewendet, aber im Vergleich zur Privatwirtschaft steckt die Umsetzung von Customer Journey-Konzepten noch weitgehend in den Kinderschuhen.
Was ist eine Customer Journey?
Was aber versteht man genau unter diesem Konzept? In der digitalen Welt muss der Kunde über ein weites Spektrum von Online- und „Offline“-Kanälen gewonnen werden, den sogenannten Touchpoints (deutsch: Berührungs- bzw. Kontaktpunkte). Diese reichen von Social Media über Webseiten bis hin zur klassischen Print- und Fernsehwerbung. Durch die Nachverfolgung der Customer Journey (Customer Survey Mapping) versucht das Unternehmen, seine Kundschaft und deren Interessen besser zu verstehen. Die Touchpoints und ihre genaue Nutzung durch die Kunden zu kennen ist für das Marketing deshalb so essentiell, weil diese nur an diesen Punkten vom Kauf eines Produkts überzeugt werden können.
Citizen Journey zur Bestimmung der Zufriedenheit mit der öffentlichen Verwaltung
Diese Kundenorientierung fehlt in den öffentlichen Verwaltungen bis heute noch weitgehend. Die Lage beginnt sich aber langsam zu ändern. Im Rahmen der nun als Citizen Journey (deutsch: Bürgerreise) bezeichneten Analyse müssen alle Prozesse und Kontaktpunkte der Bürger mit Politik und Verwaltung identifiziert und visualisiert werden. Wie in der Marktwirtschaft ist dabei die Art und Weise der erlebten Interaktion von vorrangiger Bedeutung, weil sie die Kundenzufriedenheit in erster Linie bestimmt. Ob die Ummeldung des Wohnortes, die Anerkennung einer Berufsqualifikation oder die Beantragung von Kindergeld: Jede Interaktion mit der Verwaltung wird Teil der Citizen Journey, die darüber entscheidet, ob die eine Verwaltung als lösungsorientierter Partner oder lediglich als unsympathische und unkooperative Bürokratiemaschine wahrgenommen wird.
Beispiel: Termin- und Besuchssteuerung in Hannover
Auf der kommunalen Ebene wird die Citizen Journey erst rudimentär angewendet. Ein Beispiel ist die Stadt Hannover. Um ihren Bürgern Behördengänge zu vereinfachen, aber auch die internen Prozesse zu optimieren, führte sie ein neues Besuchersteuerungs- und Warteschlangenmanagement-System in Kombination mit einem digitalen Gebäudeleitsystem für die Kfz-Zulassung, die Bürgerämter, die Fahrerlaubnisbehörde, das Standesamt und das Gewerbeamt ein. Grundlage dieses Systems war die vorherige genaue Analyse des Verhaltens der Kunden/Bürger (Citizen Journey) bei der Nutzung der bisherigen digitalen/analogen Terminanmeldungen sowie der Art und Weise ihrer Behördengänge, nämlich oft ohne vorherige Anmeldung und auf „gut Glück“. Letzteres führte oft zu überfüllten Warteräumen, weil sich nicht angemeldete Personen oft stundelang dort aufhielten. Aufgrund der Analyse dieser Schwachstellen wurden die Prozesse ganz umgestaltet. Für einen Termin zum Beispiel im Bürgeramt informieren sich Kunden seitdem zunächst im Service-Portal der Stadt Hannover über die gewünschte Dienstleistung. Von dort aus gelangen sie zur Onlineterminvereinbarung, in der die Postleitzahl ihres Hauptwohnsitzes zur Zuständigkeitsprüfung abgefragt wird. Nach Wahl ihres Anliegens werden ihnen die nächstmöglichen Termine je Bürgeramt sowie entsprechende Alternativen angezeigt. Nach Auswahl eines Termins und Abgabe der Daten erhalten sie eine Bestätigungs-Mail mit Informationen darüber, welche Unterlagen mitzubringen sind und wo sie genau hinzugehen oder zu warten haben. Mit einer Stornierungsmöglichkeit lässt sich die Quote der zu einem Termin nicht erschienenen Personen reduzieren, so dass frei werdenden Kapazitäten neu vergeben werden können. Zudem kann man das Personal abhängig von der zu erwartenden Auslastung gezielter planen, und die Mitarbeiter können somit auch das Personenaufkommen in den Wartebereichen besser steuern.
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