BFH: Tatsächliche Fahrtkosten oder Entfernungspauschale?

Fahrten zur Arbeit sind im Regelfall durch die Entfernungspauschale abgegolten. Bei einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet kann ein Steuerpflichtiger jedoch unter bestimmten Umständen seine tatsächlichen Reisekosten steuerlich geltend machen. Der BFH entschied dies für einen Hafenarbeiter in Hamburg.

Praxis-Hinweis: Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet

Hintergrund der BFH-Entscheidung (BFH Urteil vom 15.02.2023 - VI R 4/21) ist, dass Fahrten eines Arbeitnehmers von seiner Wohnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte durch die Entfernungspauschale abgegolten sind. Eine solche hatte der Kläger aber ausweislich des Sachverhalts nicht.

In diesen Fällen hat der BFH bereits in der Vergangenheit entschieden, dass dann die Entfernungspauschale für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet gilt. Innerhalb des Tätigkeitsgebietes können dann für Fahrten die tatsächlichen Kosten angesetzt werden. Dabei sind an das weitläufige Tätigkeitsgebiet bestimmte Anforderungen zu stellen, denn

  • es muss sich um eine abgrenzte Fläche handeln und
  • es darf sich nicht um ein Gelände des Arbeitgebers handeln.

Diese Voraussetzungen dürften nicht oft vorliegen, der Hamburger Hafen erfüllt sie jedoch. Die Entscheidung betrifft deshalb sicherlich einen Sonderfall, an den der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung bei der Schaffung der Bestimmungen nicht gedacht haben. Schließlich ist der Hamburger Hafen, wie der BFH in seiner Entscheidung ausführt, rund 7.200 Hektar groß und damit größer als eine Vielzahl von Städten in Deutschland.

Sachverhalt: Hafenarbeiter bei verschiedenen Unternehmen im Hafen beschäftigt

Der Kläger war als Hafenarbeiter im Hamburger Hafen beschäftigt. Mit seinem Arbeitgeber schloss er hierbei einen Rahmenvertrag, nach dem er nach Bedarf in verschiedenen Unternehmen im Hamburger Hafen eingesetzt wurde. Im Streitjahr war er an 4 Orten eingesetzt. Der Einsatz erfolgte hierbei nach täglicher Abstimmung. Sein Arbeitgeber bestätigte ihm, dass er keine erste Tätigkeitsstätte hatte. Der Kläger ist der Ansicht, dass er die tatsächlichen Kosten als Werbungskosten geltend machen könne. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, diese seien durch die Entfernungspauschale gedeckelt. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Der Kläger wandte sich deshalb im Wege der Revision an den BFH.

BFH: Arbeiter darf die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten ansetzen

Der BFH gab der Revision statt und hob die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts auf. Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Werbungskosten durch die Entfernungspauschale gedeckelt sind. Dies gilt hier indes nicht, da der Kläger keine erste Tätigkeitsstätte hat und innerhalb eines weiträumigen Tätigkeitsbereichs nach Weisungen tätig gewesen ist. In diesen Fällen können die tatsächlichen Kosten angesetzt werden.  

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