Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen einem von einem Wirtschaftsprüfer fehlerhaft erteilten Testats eines Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft und der Kaufentscheidung eines Anlegers.

 

Normenkette

BGB; HGB; ZPO §§ 826, 323, 286

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 20.06.2005; Aktenzeichen 4 O 10/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1, 2 und 4 wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Ulm vom 20.6.2005 - 4 O 10/04 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer behaupteten fehlerhaften Erteilung von Testaten für Jahresabschlüsse der C. AG durch die Beklagten.

1. Der Kläger war zwischen 1999 und 2002 als Geschäftsführer im Vertriebsbereich in der Nutzfahrzeugindustrie tätig. Er und seine Ehefrau investierten regelmäßig in Wertpapiere. Sie haben die gemeinsame Verfügungsberechtigung über ein Depotkonto bei der Bank, über das auch die streitgegenständlichen Aktienkäufe abgewickelt wurden. Der Kläger wurde durch seine Ehefrau zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem am Depotinhalt entstandenen Schaden ermächtigt.

Die Beklagte Ziff. 1 ist eine Wirtschaftsprüfergesellschaft. Sie war für die Geschäftsjahre 1996 bis 2001 Abschlussprüferin der C. AG. Der Beklagte Ziff. 2 hat für die Beklagte Ziff. 1 sämtliche Jahresabschlüsse der C. AG geprüft, der Beklagte zu 3) die Abschlüsse der Geschäftsjahre 1996 bis 1999 und die Beklagte zu 4) den Abschluss für das Geschäftsjahr 2000.

Im Jahre 1997 wurde die C. GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Alleinige Anteilseigner der C. AG waren zum fraglichen Zeitpunkt die Eheleute B. und I. S.. Das Stammkapital betrug zunächst 100.000 DM. Gegenstand des Unternehmens war die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Software- und Hardwareprodukten für Telematic- und drahtlose Telekommunikationsdienste sowie damit zusammenhängende Dienst- und Serviceleistungen. Im Jahr 1999 erfolgte der Börsengang. Dabei wurden im November 1999 1,29 Mio. Aktien zur Zeichnung angeboten. Der Emissionspreis betrug umgerechnet 20,50 EUR, der erste Kurs am 26.11.1999 25,- EUR. Bis zum Jahr 2000 wurde das Kapital bis auf 20,08 Mio. EUR erhöht. B.S. war zu diesem Zeitpunkt noch mit 44,10 %, I.S. mit 17,51 % beteiligt.

Vorstand der C. AG war zunächst I. S., die später Vorsitzende des Aufsichtsrats wurde. Ab Mitte Juni 1999 bestand der Vorstand aus den Herren H.S. und B.S. Am 7.3.2002 wurde B.S. als Vorstand abberufen. Im November 2002 wurden B. und I.S. durch das LG München I u.a. wegen Betruges verurteilt, wobei B.S. eine 7-jährigen Gesamtfreiheitsstrafe und I.S. eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von 2 Jahren erhielt.

In der Bilanz für das Geschäftsjahr 1998 wurde der Umsatz der C. AG mit 4.567.382,62 DM und der Jahresfehlbetrag mit 294.018,25 DM angegeben. Tatsächlich lag aber der Umsatz deutlich niedriger, während der Fehlbetrag um einiges höher war. Ein Großteil der Umsätze war nur fingiert. Dabei gaben die Eheleute S. vor, dass die von der C. AG vertriebenen Endgeräte, auf die der Umsatz zurückgeführt wurde, durch die V.E. mit Sitz in H. hergestellt und direkt von Ostasien an angebliche Kunden der C. AG ausgeliefert werden würden. Der Kaufpreis würde von den Kunden regelmäßig direkt an die V.E. bezahlt. Die gegenseitigen Forderungen würden zwischen der C. AG und der V.E. verrechnet. Der dadurch ggü. der V.E. entstehende Haben-Saldo werde als Anzahlung für die Herstellung weiterer Geräte durch die V.E. stehen gelassen. Sämtliche Geschäftsvorfälle mit der V.E. waren jedoch frei erfunden, die V.E. Ltd. gab es nicht. Auch einer auf den 28.12.1998 datierenden Rechnung der C. AG an die in Griechenland ansässige Firma W. über die Lieferung von Geräten i.H.v. 2.859.000 DM, für die die V.E. der C. AG angeblich 2.454.800 DM in Rechnung gestellt habe, lag kein tatsächliches Geschäft zugrunde. Die Ware, die angeblich am 28.12.1998 H. verlassen haben und am 30.12.1998 in Griechenland angekommen sein sollte, wurde nie geliefert.

In der Bilanz für das Geschäftsjahr 1999 wurde ein Umsatz von 20.018.711,60 DM und ein Jahresfehlbetrag von 676.289,01 DM ausgewiesen. 85,8 % des Umsatzes betrafen fingierte Geschäfte mit der nicht existenten V.E.. Laut der Bilanz für das Geschäftsjahr 2000 stieg der Umsatz auf 85.802.651,25 DM. Als Jahresüberschuss wurde ein Betrag von 8.121.092,79 DM genannt. 97 % der Umsätze sollen mit der V.E. abgewickelt worden sein. Sie waren allesamt fingiert. Eine aktivierte Forderung gegen die V.E. i.H.v. 27.680.307,07 DM aus geleisteten Anzahlungen bestand nicht.

Die Jahresabschlüsse für d...

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