Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
a) Anschaffungs- und Herstellungskosten
Tz. 719
Die Schwierigkeit der jeweiligen Rechnungslegungsnorm liegt in der Divergenz der jeweiligen normtechnischen Vorgehensweisen. Dies bedingt nicht konsequenter Weise das inhaltliche Auseinanderfallen der Regelungen, dennoch aber die differenzierte Betrachtung der Anordnung, der auch die Gegenüberstellung der IFRS und HGB Regelungen Rechnung tragen muss. Konzeptionell verorten die IFRS die Bewertungsvorschriften im jeweiligen Standard, da das IFRS Framework keine allgemeinen Anwendungsvorschriften enthält. Das HGB selbst unterscheidet zwischen der Bewertungskonzeption und der Bewertung, so z. B. hinsichtlich der Definition der Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 253 HGB). Vorliegend wird insofern von der Struktur abgewichen, als dass für IFRS-Zwecke Erst- und Folgebewertung sowie auch der Ansatz der Höhe nach in diesem Kapitel abgehandelt werden (vgl. Tz. 228 ff.).
Tz. 720
Auch die IFRS stellen beim Zugang von Vermögenswerten auf die Erfolgsneutraltität ab, d. h. eine direkte Berührung des Gewinn und Verlusts ist i. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten ausgeschlossen. Hierfür ist insbesondere der Zeitraum der Herstellung festzulegen, um aktivierungsfähige von nicht aktivierungsfähigen Kosten abzugrenzen. Dies dient insbesondere dazu, den zur Erzielung der Erträge angefallenen Aufwand zu periodisieren. Vor allen Dingen ingangsetzungsartige Kosten sind dabei aber kein Bestandteil der Anschaffungs- und Herstellungkosten (IAS 16.19). Hierfür bedienen sich die IFRS verschiedener Beispiele, wie z. B. der Kosten der Eröffnung eine neuen Betriebsstätte oder der Verwaltungs- und anderen allgemeinen Gemeinkosten. Eine genauere Abgrenzung des Herstellungszeitraums fehlt damit, insbesondere bleiben die unter die Herstellung zu subsumierenden Tatbestände unbestimmt. Neben den anfänglichen Anschaffungskosten ist ebenfalls der Aufwand zu periodisieren, der in den Folgeperioden als nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten anfällt.
b) Nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten des Sachanlagevermögens
Tz. 721
Hinsichtlich der Aktivierung von nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten verweist der Standard lediglich auf die in IAS 16.7 genannten Ansatzkriterien. Folglich sind nachträglich anfallende Kosten dann zu aktivieren, wenn durch sie dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Nutzen zufließen wird. Dies ist i. d. R. dann gegeben, wenn durch die Kosten eine Erweiterung oder eine wesentliche Verbesserung des Vermögenswerts erfolgt.
Tz. 722
Eine Erweiterung eines Vermögenswerts bedeutet eine Mehrung der Substanz des Gegenstands als solchen, mit der i. d. R. eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit einhergeht, wie z. B. der Anbau oder die Aufstockung bei einem bereits bestehenden Gebäude oder der erstmalige Einbau einer Fahrstuhlanlage in ein bereits bestehendes Gebäude. Werden dagegen nur Teile eines Vermögensgegenstandes erneuert, so stellen die hierfür anfallenden Aufwendungen Erhaltungsaufwand dar. Als Beispiele kann hier der Ersatz einer Holztreppe durch eine Betontreppe genannt werden.
Tz. 723
Eine aktivierungspflichtige wesentliche Verbesserung liegt vor allem dann vor, wenn ein vorhandener Vermögenswert als solcher so verändert wird, dass eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit vorliegt (z. B. wenn ein großer Raum in mehrere kleine Räume aufgeteilt oder ein Lagerhaus in ein Verwaltungsgebäude umgebaut wird) oder wenn der vorhandene Gegenstand so erheblich verbessert wird, dass praktisch ein neuer Gegenstand entsteht (z. B. wesentliche Erhöhung der Produktionskapazität). Maßnahmen, die lediglich dazu dienen, das ursprüngliche Nutzungspotenzial sicherzustellen (z. B. Reparatur, Auswechseln von Teilen und die dem technischen Fortschritt entsprechende übliche Modernisierung), erfüllen nicht die Kriterien für eine Aktivierung, sodass derartige Aufwendungen erfolgswirksam als Erhaltungsaufwand zu erfassen sind. Wird durch die Maßnahme die Nutzungsdauer erheblich verlängert, so liegt hierin eine wesentliche Verbesserung des Vermögenswerts.
c) Fremdkapitalkosten
aa) Definitionen
Tz. 724
Fremdkapitalkosten, die der Anschaffung bzw. Herstellung eines qualifizierten Vermögenswerts direkt zurechenbar sind, sind als Bestandteil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des betreffenden Vermögenswerts zu behandeln (IAS 23.1, 23.8 f.). Im Gegensatz hierzu sieht das deutsche Handelsrecht nach § 255 Abs. 3 HGB (nur) ein Bewertungswahlrecht für die Ermittlung der Herstellungskosten vor. Anzuwenden sind die Regelungen auf qualifizierte Vermögenswerte. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ein beträchtlicher Zeitraum (substantial period) zwischen dem Beginn der Anschaffung bzw. Herstellung und dem Erreichen des beabsichtigten verkaufsfähigen (gilt für Vorräte) oder gebrauchsfähigen (gilt für Anlagevermögen) Zustands liegt (IAS 23.5). Eine Konkretisierung, ab wann ein „beträchtlicher Zeitraum” anzunehmen ist, ist im Standard nicht vorhanden. Nach Auslegung im Schrifttum wird dabei regelmäßig auf einen Zeitraum von mindestens 12 Monate...