Tz. 131

Kritik am anschwellendem Umfang der IFRS-Finanzberichterstattung (Disclosure Overload), die sich auf einer im Januar 2013 vom IASB ausgerichteten Konferenz kristallisierte, war Aus­gangs­punkt der Disclosure Initiative des IASB, in de­ren Zentrum Änderungen der IAS 1, IAS 7, IAS 8 und die standardübergreifende Fortent­wick­lung des Wesentlichkeits­grund­satzes stehen.[352] Die im Dezember 2014 veröffent­lichten Ände­rungen des IAS 1 sind das erste Ergebnis dieser Initiative. In Arbeitsgruppen­sitzun­gen im März, April, Juni und Sep­tember 2015 hat das IASB ein Diskussionspapier "Principles of Disclosure" vorbereitet, das 2016 veröffent­licht werden soll. Es soll neben Vorschlägen zur Änderung einzelner Standards auch einen Leit­faden (Practice Statement) für die Anwendung des Wesentlichkeitsgrundsatzes enthalten.

Mit dem Exposure Draft ED/2015/3 Conceptional Framework hat das IASB im Mai 2015 die mögliche Struktur eines neuen Rahmenkonzepts vorgestellt.[353] Vorangegangen war ein Dis­kussionspapier für die nächste Phase einer weiteren Re­vi­sion des Rahmen­kon­zepts. Gegenstand inhaltlicher Neuregelungen sind das Verhältnis des Rahmen­kon­zepts zu den Standards, die abstrakte Aktivierungs- und Passivierungsfähigkeit mit den De­finitionen von Vermögensgegenständen und Schulden, die Abgrenzung von Eigen- und Fremd­kapital, Bewertungsgrundsätze, die Darstellung und Gliederung des Jahresabschlusses, die Er­folgs­konzeption und Vorüberlegungen zur Kapitalerhaltungskonzeption, zum Unternehmens­fort­führungsgrundsatz und zur berichtspflichtigen Einheit.[354] Wieder aufgenommen werden soll auch das Vorsichtsprinzip.[355] Der Exposure Draft ED/2015/4 Updating References to the Conceptual Framework enthält begleitend dazu Vorschläge zur Anpassung der Verweise auf das Rahmenkonzept in den IFRS 2, IFRS 3, IFRS 4, IFRS 6, IAS 1, IAS 8, IAS 34, SIC-27 und SIC-32.

Für die Ebene der unionsrechtlichen IFRS drängt sich zunehmend die Frage auf, ob das Rahmen­kon­zept in Unionsrecht überführt oder dort zumindest gespiegelt werden muss. Die Kommission hat das Rahmenkonzept des IASC von 1989 als Arbeitshilfe mit ihren Kommen­taren zur Umsetzung der IAS/IFRS veröffentlicht. Das hat zur Folge, dass aus urheber­recht­lichen Gründen diese Fas­sung des Rahmenkonzepts weiter in vielen Textsammlungen mit den unionsrechtlichen IFRS abgedruckt wird und damit faktisch die Bilanzierungspraxis prägt. Das ist folgerichtig, wenn man die Auffassung vertritt, das für die Auslegung der älteren Standards auch das ältere Rahmenkonzept heranzuziehen ist.

Der deutsche Gesetzgeber hat von dem in Art. IAS-VO eingeräumten Wahlrecht, die Bilan­zie­rung nach den IFRS auch für den Einzelabschluss der kapitalmarktorientierten Unter­nehmen vorzuschreiben nicht Ge­brauch gemacht. Anders als in einigen anderen Mitglied­staa­ten der EU,[356] hat der Gesetzgeber auch davon abge­sehen, für alle Kaufleute einen Jahresab­schluss nach IFRS vorzuschreiben.

Ein gewichtiges Argument gegen diese Ersetzung des GoB durch die Bilanzierungsgrundsätze der IFRS ist aus deutscher Sicht deren unzu­rei­chen­de Verwendbarkeit für die Ausschüt­tungs­bemessung. Der über­wiegende Teil des Schrift­tums hält die Bilan­zie­rungs­grund­sätze der IFRS nicht mit den Kapi­taler­haltungs­grund­sätzen des deutschen Gesell­schaftsrechts vereinbar.[357] Diese Inkompati­bilität wäre zwar auf­lösbar. Das im BilMoG bereits vorgelebte Modell bilanzieller Ausschüt­tungssperren könnte für einen IFRS-Abschluss auf den Bestandteil der unrealisierten Gewinne im Erfolgsausweis er­weitert wer­den.[358] Eine andere Frage ist es aber, ob man diesen Weg gehen will, wenn man von den Bilanzierungsgrundsätzen der IFRS auch an anderen Stellen nicht überzeugt ist.

Im Zentrum der rechtspolitischen Diskussion über die Fortentwicklung und die Über­nah­me der Bilanzierungsgrundsätze der IFRS in nationales Bilanzrecht steht die Fair-Value-Bewertung und die Be­handlung immaterieller Werte.[359] Von einigen Befürwortern der IFRS und gleichzeitig Kri­ti­kern der handelsrechtlichen GoB wird die Fair Value-Bewertung und die vollständige Abbildung aller immateriellen Werte als zentrales Ziel einer an den tat­säch­lichen Vermögens-, Finanz- und Ertragsverhältnissen aus­gerichteten Rechnungslegung gesehen. Optimal wäre da­nach ein auf die Informations­bedürf­nisse des Kapitalmarkts zuge­schnit­te­nes Rechenwerk,[360] dem es ge­lin­gen würde, in der Dar­stel­lung der Vermögenslage den tat­säch­lichen Marktwert des Unter­neh­mens vorherzusagen, für die Finanzlage die zukünftigen Cashflows und in den Er­trä­gen auch die zukünftigen Erfolgs­aus­sichten zutreffend abzubil­den.[361] Weil die handels­recht­lichen GoB in großem Umfang stille Reserven zulassen, sind sie zur Verwirk­lichung dieser Ziele un­ge­eignet. Die Kritiker der Bilan­zierungsgrundsätze der IFRS sehen in der Fair-Value-Bewertung drei wesentliche Nachteile vereint: sie sei mit einem unwirtschaftlich hohen Aufwand der Jah­res­ab­schlusserstellung verbunden,[362]...

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