a) Überblick

 

Tz. 69

Die Vorschrift des § 243 HGB bildet seit dem Bilanz­richt­linien­gesetz v. 19.12.1985[134] für alle Kauf­leute das Fundament der handelsrechtlichen Rechnungslegungsgrundsätze für den Jah­res­abschluss. Die Re­ge­lung verweist in Abs. 1 durch eine Generalnorm des Han­dels­bilanzrechts auf die Grundsätze ord­nungs­mäßiger Buchführung (GoB). Sie steckt in Abs. 2 mit dem Gebot der Klar­heit und Über­sichtlichkeit zwei äußere Prinzipien der GoB ab. Und sie kon­kre­tisiert in Abs. 3 die in § 242 Abs. 1 HGB gere­gel­te Pflicht zur Aufstellung des Jahres­abschlus­ses in zeitlicher Hinsicht, bezogen auf die GoB klar­stellend. In allen drei Ab­sätzen findet die zweck- und prinzipien­orien­tierte Rege­lungs­technik des deutschen Handels­bilanz­rechts Aus­druck. Diese Regelungstechnik bildet einen für Verän­derun­gen der Lebens­wirk­lichkeit entwick­lungs­offenen Gegenpol zum regelorientierten Ansatz der internationalen Rech­nungs­legungs­standards (vgl. Kapitel 1).

 

Tz. 70

Gegenüber den in den §§ 244 ff. HGB konkretisierten Bilan­zie­rungs­grundsätzen lassen sich in § 243 HGB drei eigen­ständige Rege­lungs­zwecke entnehmen.[135] Die Vor­schrift fängt durch den allgemeinen Ver­weis auf die GoB nicht spezieller geregelte Bilanzierungssachverhalte ein (Auffangfunktion). Sie ist zugleich Bestand­teil des Koordinatensystems des Handels­bilanz­rechts, indem sie das ge­setz­ge­be­rische Leitbild der GoB verankert (Leitfunktion)[136]. Und sie sichert im System des Han­dels­bi­lanz­rechts die Prinzipien der GoB gegen bereichsspezifisch etwa für Kapital­gesell­schaf­ten geltende andere Einflüsse ab (Sperrfunktion).

 

Tz. 71

Die GoB adressiert § 243 HGB in ihrer Teilmenge der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung. Sie bilden das historisch ent­stan­dene Gesamtsystem des Handelsbilanzrechts. Der äußere Teil dieses Systems ist mit dem Bilanz­richt­liniengesetz in den §§ 243256a HGB ausschnittweise sichtbar und dem gestaltenden Einfluss des Gesetz­gebers dadurch zugäng­lich gewor­den. Den inneren Teil dieses System bilden die Bilanzierungszwecke, die ge­meinsam mit äußeren Einflüssen, zu denen neben Veränderungen der Lebenswirklichkeit und der Verkehrs­erwartungen auch die gesetzlichen Bilan­zierungs­vor­schriften, das Steuerbilanzrecht, die Jahresabschlussrichtlinie und inter­nationale Rechnungs­legungs­grund­sätze für den Jahres­ab­schluss gehören, die Ermittlung und Fortentwicklung der GoB erlauben, auf die § 243 Abs. 1 HGB ver­weist.

 

Tz. 72

Die Vorschrift des § 244 HGB bestimmt, dass der Jahresabschluss anders als die Buch­füh­rung (vgl. § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB) in deutscher Sprache aufgestellt werden muss und schreibt Euro als Währung vor. Die Norm des § 245 HGB regelt die Unterzeichnung durch den Kaufmann als öffentliche-rechtliche Verpflich­tung ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Jahresab­schlus­ses.

 

Tz. 73

Für Kapitalgesellschaften und über § 264a HGB auch für haftungsbeschränkte Per­so­nen­han­dels­gesell­schaften (vgl. Kapitel 3) ergänzt § 264 HGB in Umsetzung der Jahresabschlussrichtlinie die han­delsrechtlichen Rechnungs­legungs­grund­sätze durch den Grund­satz, dass der Jahres­abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ver­mögens-, Finanz- und Ertrags­lage ver­mitteln muss (Einblicksgebot). Dieser Grund­satz kann in einem Span­nungs­verhältnis zu den handels­recht­lichen GoB stehen, weil die GoB durch das über­ge­ordnete Vor­sichts­prinzip der Bildung stiller Reserven Vorrang vor dem Ausweis einer wahr­schein­lich tat­säch­lichen Ver­mögens-, Finanz- und Ertrags­lage einräumen. Dieses Span­nungs­verhältnis löst Abs. 2 durch die Regelung in Satz 2 zu Gunsten der Geltung der GoB für die Bilanz und dem ver­bundenen Gebot zusätzlicher Angaben im Anhang. Für Kleinst­ka­pital­ge­sellschaften regelt Satz 5 durch eine unwiderlegliche tatsäch­liche Ver­mutung den Vorrang der GoB zu Lasten des Ein­blicks­gebots.

 

Tz. 74

Für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften setzen die §§ 243 und 264 HGB gemeinsam die Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG v. 25.07.1978 um. Bezogen auf die Jahresabschlussrichtlinie 2013/34/EU v. 26.6.2013 ergibt sich kein zwingender Anpas­sungs­bedarf dieser Vorschriften. Soweit der deutsche Gesetzgeber die bisherigen Grund­sätze beibehalten und Mitgliedstaatenwahlrechte der Richtlinie nicht anders ausüben möchte, weist die Jahresabschlussrichtlinie v. 26.06.2013 keine im deutschen Handels­bilanz­recht regelungs­bedürftigen inhaltlichen Unter­schie­de zur Jahresabschlussrichtlinie 78/660/EWG auf.[137]

[134] BGBl. I 1985 2355.
[135] Pöschke, in: GroßKo-HGB, § 243 HGB Rn. 3.
[136] Beisse, in: Schön, GS Knobbe-Keuk, 385 (400).
[137] Hennrichs u. a., Überlegungen des Arbeitskreises Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft zur Umsetzung der EU-Jahresabschlussrichtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013 in deutsches Recht, 2014; Jessen/Haaker, DB 2013, 1617 (1622); Mosel/Peters, GWR 2014, 97; Velte, GmbHR 2013, 1125 (1126 f.); Zwirner, DStR 2014, 439 (445);...

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