a) Der Unterschied zu § 264 Abs. 3 HGB

 

Tz. 112

Personengesellschaften, die gem. § 264a HGB auch die ergänzenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften des zweiten Abschnitts anzuwenden haben, können von diesen unter den Voraussetzungen des § 264b HGB befreit werden. Systematisch ist die Vorschrift fragwürdig, weil eine Vorschrift mit dem Gehalt des § 264 Abs. 3 HGB sachgerecht wär. Stattdessen wird in § 264b HGB ein deutlich großzügigerer Befreiungstatbestand normiert.[186] Ein Grund für die Ungleichbehandlung von KapGesellschaften und KapCo-Gesellschaften kann allenfalls darin erblickt werden, dass in einer Personengesellschaft neben dem Gesellschaftsvermögen wenigstens eine Person unbeschränkt haften muss. Deshalb lässt sich eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung evtl. noch verneinen. Das Mutterunternehmen muss nicht persönlich unbeschränkt haften oder für die Verbindlichkeiten der kapitalistischen Personengesellschaft einstehen. Während bei § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB der Einstand für Verbindlichkeiten durch das den Konzernabschluss aufstellende Mutterunternehmen gefordert wird (vgl. Tz. 65 ff.), kann bei § 264b HGB eine beliebige GmbH als Komplementär persönlich unbeschränkt haften.[187] Wird die Personengesellschaft durch eine Kommanditistin beherrscht und daher § 264b Nr. 1b HGB angewendet, ist die Personengesellschaft zwar in den Konzernabschluss der Kommanditistin aufgenommen, jedoch tritt nicht die beherrschende Gesellschaft, sondern allein die "Funktions"-GmbH in die persönliche Haftung ein.

 

BEISPIEL

Die G-GmbH und die A-AG sind Holdinggesellschaften. Die G-GmbH ist Gesellschafterin der X-GmbH, Y-GmbH und Z-GmbH. Diese GmbHs sind Komplementäre ohne Stimmrecht und mit bloßer Haftungsvergütung der entsprechenden X-GmbH & Co. KG, Y-GmbH & Co. KG bzw. Z-GmbH & Co. KG. Einzige Kommanditistin ist die G-GmbH. Die A-AG ist einziger Gesellschafter der B-GmbH, C-GmbH und D-GmbH. Die X-, Y- und Z-KG müssen nur die §§ 238 ff. HGB beachten, wenn sie in den Konzernabschluss der G-GmbH aufgenommen werden. Insbesondere muss die G-GmbH keine Verluste übernehmen oder gar persönlich haften, um dieses Ziel zu erreichen. Bei den X-, Y- und Z-KGs müssen dann weder die Ergänzungsvorschriften der §§ 264 ff. HGB angewendet, noch eine Abschlussprüfung gem. §§ 316 ff. HGB durchgeführt, noch der JA samt Lagebericht offengelegt werden. Die persönlich haftenden Gesellschafter werden die X-, Y- und Z-GmbH mit dem Mindeststammkapital von 25.000 EUR sein, deren Vermögen sich im Laufe der Zeit auch nicht verändern/vermehren wird. Sollen diese Ziele im A-AG-Konzern erreicht werden, gelingt dies nur, wenn die A-AG gem. § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB für die Verbindlichkeiten der B-, C- und D-GmbH einstehen will.

[186] LG Bonn v. 15.8.2013, 38 T 229/12, NZG 2013, 1272 (1273).
[187] LG Bonn v. 15.8.2013, 38 T 229/12, NZG 2013, 1272 (1273).

b) Zustimmung der Gesellschafter

 

Tz. 113

Anders als § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB kennt § 264b HGB keine Zustimmungspflicht aller Gesellschafter. Vielmehr scheint die Vorschrift bereits anwendbar, wenn sämtliche Voraussetzungen als solche erfüllt sind. Diese Sichtweise entspricht der h. M. in der Literatur, die dieses Ergebnis aus dem Rechtsprechungswechsel vom fehlenden Einstimmigkeitserfordernis hin zu einer Mehrheitsentscheidung bei Bilanzierungsentscheidungen herleitet.[188] Der Bundesgerichtshof hatte einst für die gesetzestypische KG vertreten, dass eine Bilanzierungsentscheidung, die in Gewinnbezugsrechte der Gesellschafter eingreift (§ 253 Abs. 4 a. F. HGB), ein Grundlagengeschäft darstellt und somit der Zustimmungspflicht aller Gesellschafter bedarf.[189] In einer neueren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Feststellung des Jahresabschlusses nur insoweit als Grundlagengeschäft eingeordnet, als die Gesellschafter und nicht die Geschäftsführer zuständig sind. Weil die Grundlagen der Gesellschaft nicht berührt werden, ist jedoch eine allgemeine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag dafür anwendbar.[190]

 

Tz. 114

Der Rechtsprechungswechsel zu den Grundlagengeschäften erzwingt diese Lösung nicht. Vielmehr dient er erst einmal einer neuen Ausgestaltung von gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklauseln. Diese konnten nach alter Rechtsprechung nur bei Entscheidungen zu Geschäftsführungsmaßnahmen herangezogen werden. Wurden die Grundlagen der Gesellschaft berührt, mussten die Mehrheitsklauseln exakt für diesen Fall präzise vorformuliert gewesen sein. Das war unpraktikabel. Nach neuerer Systematik soll es dagegen genügen, dass eine Mehrheitsklausel existiert. Ein Mehrheitsbeschluss ist auch immer zulässig, es sei denn, dass der Kernbereich einer Gesellschafterposition berührt oder eine treuwidrige Entscheidung getroffen wird. Die Entscheidung zur Anwendung von § 264b HGB berührt auf keinen Fall den Kernbereich der Mitgliedschaft.

 

Tz. 115

Grundsätzlich wird man daher auch bei § 264b HGB wie bei § 264 Abs. 3 HGB das Erfordernis der Einstimmigkeit anzunehmen haben. Ganz offensichtlich ermangelt es ohne nachvollziehbaren Grund einer Regelung wie § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB. Das Fe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge