Tz. 55

Wäre bei zutreffender Bilanzierung eine Unterbilanz ausgewiesen worden, wären Ausschüttungen an die GmbH-Gesellschafter unzulässig gewesen. § 31 GmbHG statuiert einen strengen Erstattungsanspruch, der sich auf die volle Höhe des an den Gesellschafter ausgezahlten Betrags beläuft.[189] § 31 Abs.  3 GmbHG statuiert eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter, die sich jedoch auf die Höhe des Stammkapitals beläuft, wobei der eigene Anteil nicht abgezogen werden kann.[190] Es ist zu beachten, dass es anders als bei der Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs.  3 GmbHG nicht auf Verschulden des Gesellschafters ankommt. Anders als die Gesellschafterhaftung für Kapitalaufbringung ist die Haftung für unzulässige Einlagenrückgewähr nur eine schuldrechtliche und keine mitgliedschaftliche Verbindlichkeit, sodass ein Anteilserwerber nicht analog § 16 Abs.  2 GmbHG herangezogen werden kann, sondern allenfalls gem. § 31 Abs.  3 GmbHG haftet.[191]

 

Tz. 56

Unter Rückgriff auf die Gesetzgebungsmaterialien wird die Entnahmehandlung vom Jahresabschluss entkoppelt. Das bedeutet: Ein Jahresabschluss, der Gewinn ausweist, ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Entnahmefähigkeit der Gewinne.[192] Vielmehr soll es darauf ankommen, dass – unabhängig von der vorgelegten Bilanz – im Zeitpunkt der Entnahme keine Unterbilanz vorliegt.[193] Eine Heilung der Nichtigkeit des JA führt nicht zur Legitimierung der Gewinnausschüttung.[194] Im Gefolge dieser Sichtweise wird deshalb vertreten, dass eine Heilung des fehlerhaften JA keine Auswirkungen auf die Entnahme bei Unterbilanz und den damit verbundenen Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG habe. Darüber hinaus soll nicht einmal ein Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG mit späteren Gewinnen verrechnet werden können.[195]

 

Tz. 57

Werden fehlerhafte Bilanzen erstellt und darauf aufbauend Gewinne ausgeschüttet, sind die redlichen Gesellschafter durch § 32 GmbHG gegen anderweitige Erstattungsansprüche bzw. Bereicherungsansprüche geschützt, wenn sie beim Empfang redlich waren. Die Vorschrift ist mit § 62 Abs.  1 Satz 2 AktG vergleichbar.[196] Neben § 31 GmbHG ist immer noch an § 134 InsO als konkurrierenden Anspruch zu denken. Die Ausschüttung geschah bei unwirksamen JA rechtsgrundlos und damit unentgeltlich.[197]

[191] Habersack, in: GroßKo-GmbHG, § 31 GmbHG Rn. 9; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 GmbHG Rn. 5.
[192] I.Erg. auch Schön, Bestandskraft fehlerhafter Bilanzen – Information, Gewinnverteilung, Kapitalerhaltung in: Canaris u. a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, München 2000, Bd. II, 153 (167).
[194] Schön, Bestandskraft fehlerhafter Bilanzen – Information, Gewinnverteilung, Kapitalerhaltung in: Canaris u. a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, München 2000, Bd.  II, 153 (167 f.) unter Bezugnahme auf die Motive zum GmbHG 1892.
[195] BGH v. 29.5.2000, II ZR 118/98, BGHZ 144, 336 (340 ff.); v. 18.6.2007, II ZR 86/06, BGHZ 173, 1 Rn. 16 f.; v. 23.4.2012, II ZR 252/10, BGHZ 193, 96 Rn. 29; aus der Literatur s. nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 31 GmbHG Rn. 17 m. w. N. in Fn. 49.
[196] Schön, Bestandskraft fehlerhafter Bilanzen – Information, Gewinnverteilung, Kapitalerhaltung in: Canaris u. a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, München 2000, Bd.  II, 153 (166).
[197] Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 GmbHG Rn. 34.

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