Tz. 250

Gelangt der Abschlussprüfer zu dem abschließenden Urteil, dass Einwendungen gegen Buchführung, Jahresabschluss und/oder Lagebericht zu erheben sind, die sich negativ auf die Rechnungslegung als Ganzes auswirken und so bedeutend oder zahlreich sind, dass eine Einschränkung des Bestätigungsvermerks nicht mehr angemessen ist, so hat er nach Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 den Bestätigungsvermerk zu versagen.[502] Eine solche negative Gesamtaussage ist also geboten, falls der Abschluss auch unter Darstellung der Einwendungsgründe keinen im Wesentlichen zutreffenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt. Für diesen Fall darf nach Abs. 4 Satz 2 die Bezeichnung "Bestätigungsvermerk" nicht verwendet werden. Vielmehr ist das Testat mit der Überschrift "Versagungsvermerk" zu versehen.

 

Tz. 251

Auch im Versagungsvermerk sind die wesentlichen Gründe für die Versagung zu beschreiben und zu erläutern.[503] Basiert sie auf einer Vielzahl von Einwendungen, sind zur Wahrung der Übersichtlichkeit und Verkehrsfähigkeit des Vermerks zumindest die wichtigsten darzulegen. Des Weiteren ist die Versagung in der Begründung zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen.[504] Eine Darstellung der Tragweite ist dagegen gesetzlich nicht gefordert. Im Sinne einer klaren, eindeutigen und verständlichen Formulierung kann sie aber nützlich sein.[505] IDW PS 400.68 legt einen Formulierungsvorschlag für ein Prüfungsurteil mit negativer Gesamtaussage aufgrund von Einwendungen vor.

 

BEISPIEL

Auszug aus dem Versagungsvermerk des Abschlussprüfers zum Jahresabschluss und Lagebericht 2012 der PROKON Regenerative Energien GmbH, Itzehoe:

„Als Ergebnis unserer Prüfung stellen wir fest, dass wir nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhalts aus folgendem Grund nicht in der Lage waren, ein Prüfungsurteil abzugeben: Die Geschäftsführung hat uns … mitgeteilt, dass wir keinerlei Informationen, Unterlagen oder Auskünfte mehr erhalten werden. Dies umfasst sowohl bereits angeforderte und noch ausstehende sowie ggf. auch noch weitere Unterlagen und Auskünfte, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. Insbesondere ist es uns aufgrund fehlender Unterlagen nicht möglich, mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen, ob die Aufstellung des Jahresabschlusses zu Recht unter Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt worden ist. Aufgrund der Bedeutung des dargestellten Prüfungshemmnisses versagen wir den Bestätigungsvermerk.

Unsere Prüfung hat – unter Berücksichtigung des oben dargestellten Prüfungshemmnisses – zu folgenden Einwendungen geführt, die in ihrer Gesamtheit ebenfalls zu einer Versagung des Bestätigungsvermerks geführt hätten:

  • Der Lagebericht vermittelt insgesamt kein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft und entspricht damit nicht den gesetzlichen Vorschriften.
  • Der Anhang enthält nicht alle nach den gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Angaben.
  • Die nach § 268 Abs. 2 HGB im Anhang dargestellte Entwicklung des Anlagevermögens steht nicht mit den übrigen Angaben im Jahresabschluss in Einklang.
  • Die Vorschriften bezüglich des Ausweises bestimmter Posten im Jahresabschluss entsprechend der §§ 266 Abs. 2 und 3 sowie 268 HGB und §§ 275 Abs. 2 sowie 277 HGB wurden nicht vollumfänglich beachtet …”
 

Tz. 252

Nach Abs. 5 Satz 1 ist der Bestätigungsvermerk auch dann zu versagen, wenn der Abschlussprüfer nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben, etwa aufgrund einer weitgehenden Auskunftsverweigerung der gesetzlichen Vertreter.[506] Insofern wird stets ein Prüfungshemmnis vorliegen, dessen Ausmaß so groß ist, dass es dem Abschlussprüfer nicht mehr ermöglicht, zu einem abschließenden Urteil mit (eingeschränkt) positiver Gesamtaussage zu gelangen.[507] Ein solcher Nichterteilungsvermerk (disclaimer of opinion) bedeutet jedoch kein negatives Prüfungsurteil. Die Ausgestaltung als Versagungsvermerk liegt darin begründet, dass nach deutschem Recht nur ein geprüfter Jahresabschluss festgestellt werden kann.[508] Es müssen drei Voraussetzungen für einen Nichterteilungsvermerk erfüllt sein:[509]

  • Beim Abschlussprüfer liegen Informationsdefizite vor.
  • Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Gesellschaft objektiv an der Vorlage der erforderlichen Informationen gehindert ist oder ob Gesellschaftsorgane oder Dritte die Mitwirkung verweigern. Eine fehlende Verwertbarkeit der Ergebnisse anderer Prüfer begründet kein Informationsdefizit, denn der Abschlussprüfer ist in vollem Umfang für die Prüfung verantwortlich.[510]
  • Der Abschlussprüfer konnte die Informationsdefizite trotz Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhalts nicht beheben.
  • Dabei sind die dem Prüfer zur Verfügung stehenden Möglichkeiten trotz der weitreichenden Auskunfts- und Einblicksrechte des § 320 HGB beschränkt, da diese nicht einklagbar sind. Angemessen sind rechtlich zulässige und wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen, wobei auch die Bedeutung der fehlenden Infor...

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