aa) Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist (Satz 1)

aa1) Allgemeines

 

Tz. 345

In Bezug auf zeitliche Aspekte steht bei der Kapitalkonsolidierung die Frage im Vordergrund, welcher Zeitpunkt für die im Zuge der Erstkonsolidierung zu verwendenden Wertansätze i. S. d. § 301 Abs. 1 HGB maßgebend ist. Hiervon betroffen sind

  • einerseits der Zeitpunkt für die durchzuführende Kapitalaufrechnung und
  • andererseits der Zeitpunkt für die Neubewertung der relevanten Wertgrößen.[489]

Nach den Bestimmungen des § 301 Abs. 2 Satz 1 HGB hat die Verrechnung auf Grundlage der Wertansätze zu dem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem das Unternehmen Tochterunternehmen geworden ist. Zur Bestimmung dieses Zeitpunkts sind folglich die Vorschriften gem. § 290 HGB, in denen die Abgrenzung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses geregelt ist, einschlägig.

 

Tz. 346

Im Regelfall wird ein Unternehmen zu dem Zeitpunkt zum Tochterunternehmen, an dem der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen auf das Mutterunternehmen vollzogen ist. In manchen Fällen entsteht die nach § 290 HGB erforderliche Beherrschungsmöglichkeit über ein Tochterunternehmen auch ohne Anteilsbesitz oder zusätzlich zu einem Anteilsbesitz, der die Beherrschung bisher noch nicht zulässt. § 290 Abs. 2 HGB konkretisiert die Tatbestände, nach denen ein beherrschender Einfluss anzunehmen ist.[490]

 

Tz. 347

Wird die Kontrolle in einem Schritt erlangt, können Schwierigkeiten im Hinblick auf die rechtliche Abstufung des Erwerbsprozesses – d. h. Verpflichtungsgeschäft, Gremienzustimmung, Kartellamtszustimmung und dingliches Geschäft – vorliegen. Zu klären ist in diesen Fällen, auf welcher rechtlichen Stufe der Status als Tochterunternehmen erlangt wird und somit die Erstkonsolidierung vorzunehmen ist.[491]

[489] Senger/Hoehne, in: MüKo-BilR, § 301 HGB Rn. 17.
[491] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 301 HGB Rn. 10.

aa2) Erwerb in einem Schritt

 

Tz. 348

Generell kann spätestens dann von einer Beherrschungsmöglichkeit ausgegangen werden, wenn dem Erwerber die Mehrheit der Stimmrechte zusteht oder er das Recht besitzt, die Mehrheit der Mitglieder des Organs zu bestellen, das die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmt. Unter Umständen kann beherrschender Einfluss allerdings auch bereits vor Erreichen der Gesellschafterstellung durch dingliches Eigentum an den Anteilen vorliegen. Hieraus können folgende praxisbezogene Fälle abgeleitet werden:[492]

  • Der Erwerber besitzt das Gewinnbezugsrecht in Abweichung zur gesetzlichen Ausgangslage (vgl. § 301 BGB) bereits zu einem dem Erwerb vorgelagerten Zeitpunkt.
  • Vertragliche Rückwirkungen, d. h. zwei Parteien vereinbaren bspw. in einer notariellen Urkunde vom 30.01. einen Eigentumsübergang zum 30.03.
  • Es liegt ein als Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit von Unternehmens- bzw. Anteilserwerben anzusehender gesellschafts- oder kartellrechtlicher Genehmigungsvorbehalt vor.
 

Tz. 349

Zwischen Erwerber und Veräußerer getroffene Vereinbarungen zur Aufteilung des (unterjährigen) Gewinns haben im Regelfall keine Auswirkungen auf den Erwerbszeitpunkt. So ist der Veräußerer bei unterjährigem Verkauf (in Deutschland etwa gem. § 101 BGB) zum Bezug der bis dahin angefallenen Gewinne berechtigt, wobei diese Regelung in der Praxis oftmals durch Vertrag außer Kraft gesetzt wird. So kann dem Erwerber im Falle eines Vertragsschlusses zum Geschäftsjahresende bspw. das Gewinnbezugsrecht für das komplette Geschäftsjahr zugesprochen werden. Diese Abrede hat zwar Einfluss auf die Höhe des erworbenen Vermögens, nicht jedoch auf den Erwerbs- bzw. Erstkonsolidierungszeitpunkt. Demnach haben Vereinbarungen, durch die dem Erwerber auch sog. Altgewinne zufließen, keine Vorverlagerung des Erwerbszeitpunkts zur Konsequenz. Die Altgewinne sind als vorkonzernliche Gewinne zu betrachten und fließen nicht in die Konzern-GuV ein. Beeinflusst wird lediglich der Umfang des Vermögens der Erstkonsolidierung und ggf. der Kaufpreis. Der goodwill bleibt für den Fall unberührt, dass die Gewinnbezugsabrede im Kaufpreis zutreffend berücksichtigt wird. Hingegen variiert der goodwill mit dem Erstkonsolidierungsvermögen, sofern die Gewinnbezugsabrede im Kaufpreis unberücksichtigt ist.[493]

 

Tz. 350

Kommt es zu einer vertraglichen Vorverlagerung des Erwerbs ist eine Differenzierung geboten:[494]

  • Sind zum vereinbarten früheren Eigentumsübergangszeitpunkt der Besitz, die Kontrolle, etc. tatsächlich übergegangen, kann dieser Zeitpunkt herangezogen werden.
  • Ohne tatsächlichen früheren Übergang ist eine Rückwirkung hingegen lediglich aus Wesentlichkeitsüberlegungen sowie Kosten-Nutzen-Erwägungen – bspw. zwecks Vermeidung der Aufstellung eines Zwischenabschlusses – denkbar.
 

Tz. 351

Im Falle vorliegender Gremienvorbehalte ist eine Unterscheidung erforderlich:[495]

  • Wenn für die Anteilsübertragung die Zustimmung durch Aufsichtsrat oder Geschäftsführung des Veräußerers notwendig ist, kann der beherrschende Einfluss noch nicht übergehen, da aus Sicht des Erwerbers bis zur Zustimmungserteilung völlig offen ist, ob der Vertrag überhaupt wirksam wird...

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