a) Überblick

 

Tz. 114

Die Norm befreit bestimmte "kleine" Mutterunternehmen von der eigentlich gem. § 290 Abs. 1 HGB bestehenden Pflicht zur Konzernrechnungslegung. Das dahinter stehende Ziel ist eine (kostenmäßige) Entlastung. Für die Befreiungsmöglichkeit ist nach Abs. 1 entscheidend, dass bestimmte Schwellenwerte (Bilanzsumme; Umsatzerlöse; Arbeitnehmerzahl) nicht überschritten werden. Zur Berechnung sieht die Norm zwei Alternativen (Wahlrecht) vor: die sog. Bruttomethode, bei der sich die Werte nach der Summe der Einzelabschlüsse richten (Satz 1 Nr. 1), und die sog. Nettomethode, bei der die Werte auf Grundlage eines Konzernabschlusses zu ermitteln sind (Satz 1 Nr. 2). Da bei der Nettomethode die konzerninternen Beziehungen eliminiert werden, sind bei ihr die Schwellenwerte für Bilanzsumme und Umsatzerlöse rd. 20 % geringer.

Während Abs. 1 für die Befreiung vorsieht, dass mindestens zwei der drei genannten Schwellenwerte an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen nicht überschritten wurden, erweitert Abs. 4 die Befreiungsmöglichkeit auf bestimmte Fälle, in denen die Schwellenwerte nur an einem Bilanzstichtag nicht überschritten sind.

Nach Abs. 5 ist eine Befreiung demgegenüber ausgeschlossen, wenn das Mutterunternehmen oder eines der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Tochterunternehmen kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB oder – seit dem BilRUG – ein Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen ist.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 115

Die Norm wurde durch das BiRiLiG 1985 mit Wirkung vom 1.1.1990 in das HGB eingefügt und diente der Umsetzung der 7. EG-RL vom 13.6.1984 (Konzern-Bilanz-RL)[214]. Die Schwellenwerte (= Größenmerkmale) in Abs. 1 wurden in der Folgezeit mehrfach geändert, zuletzt durch das BilRUG.[215] Dabei wurden die Schwellenwerte in Einklang mit der Richtlinie 2012/34/EU angehoben. Der durch das BilRUG neu eingefügte Abs. 2 dient der Klarstellung, dass die (neugefasste) Definition der Bilanzsumme in § 267 Abs. 4a HGB auch auf die Konzernrechnungslegung entsprechend anzuwenden ist.

Das BilMoG 2009 hatte durch den neu aufgenommenen Verweis auf § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB in Abs. 4 eine bestehende Rechtsunsicherheit bezüglich einer Befreiungsmöglichkeit im Falle von Umwandlungen oder Neugründungen gelöst. Da diese Regelung allerdings bei Formwechselvorgängen als unbefriedigend erschien, wurde der Verweis durch das BilRUG neu gefasst.

Die in Abs. 5 enthaltene Ausnahme von der Befreiungsvorschrift für kapitalmarktorientierte Unternehmen wurde durch das BilRuG auf Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen erweitert. Im Hinblick auf das Mutterunternehmen selbst ergibt sich daraus keine Änderung, da schon das geltende Recht die Nutzung der Norm für Kreditinstitute (§ 340i Abs. 1 und 2 HGB) und für Versicherungsunternehmen (§ 341i Abs. 1; § 341j Abs. 1 HGB) ausschließt. Die Neuregelung erstreckt den Ausschluss nun auch auf Fälle, in denen (nur) ein Tochterunternehmen ein den entsprechenden Vorschriften des HGB unterliegendes Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen ist.

Die in Abs. 2 a. F. und Abs. 3 a. F. enthaltenen Sonderregelungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wurden durch das BankBiRiLiG 1990/das VersRiLiG 1994 aus der Norm herausgelöst und separat in § 340i HGB/§ 341i HGB geregelt.

[214] 83/349/EWG, ABl. EG 1983, L l93, 1.
[215] S. dazu Zwirner, DB 2015, Beilage Nr. 6, 1 (21 f.).

c) Geltungsbereich

aa) Sachlicher Geltungsbereich

 

Tz. 116

Das Befreiungswahlrecht gilt grundsätzlich für sämtliche Mutterunternehmen i. S. d. § 290 HGB (vgl. Tz. 7), welche die in § 293 HGB genannten Schwellenwerte nach Maßgabe der weiteren Voraussetzungen von Abs. 1 und Abs. 4 nicht überschreiten.

Ausnahmen bestehen für Mutterunternehmen, die Kreditinstitute (§ 340i Abs. 1 Satz 1 HGB), Versicherungsunternehmen (§ 341i Abs. 1 Satz 1 HGB) oder kapitalmarktorientierte Unternehmen gem. § 264d HGB sind. Diese sind unabhängig von ihrer Größe stets zur Konzernrechnungslegung verpflichtet.

Bei Mischunternehmen mit mehreren Sparten ist wir folgt zu differenzieren: Ist das Mutterunternehmen ein Kreditinstitut/Versicherungsunternehmen, kommt eine Befreiung nach § 293 HGB a priori nicht in Betracht. Beherrscht das Mutterunternehmen demgegenüber (z. B. als Industrieholding) auch Tochterunternehmen, die ihrerseits Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sind, ist § 293 HGB anwendbar.[216]

[216] So auch Grottel/Kreher, in: BeckBilKo, § 293 HGB Rn. 17.

bb) Zeitlicher Geltungsbereich

 

Tz. 117

Die durch das BilRUG vorgenommenen Änderungen (insbesondere die angehobenen Schwellenwerte in Abs. 1) dürfen erstmals für das nach dem 31.12.2013 beginnende Geschäftsjahr angewendet werden (sog. vorgezogene Anwendung, Art. 75 Abs. 2 Satz 1 EGHGB). Sie sind zwingend für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Bei erstmaliger Anwendung ist im Konzernanhang auf die fehlende Vergleichbarkeit der Umsatzerlöse hinzuweisen und unter nachrichtlicher Darstellung des Betrags der Umsatzerlöse des Vorjahres, der sich aus der Anwendung von § 277 Abs. 1 i. d. F. des BilRUG ergeben haben würde, zu erläutern (Art. 75 Abs. 2 Sat...

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