Rn. 45

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Für die wirtschaftliche Zweckbestimmung eines VG kommt es zum einen auf die objektive Eignung eines VG und zum anderen auf die subjektive Widmung des Kaufmanns an (vgl. ADS (1998), § 247, Rn. 110ff.). Die objektiv-sachliche Komponente ergibt sich aus der Art eines VG bzw. aus dessen typischer Nutzung in einer Branche. So sind etwa Grundstücke i. d. R. dauerhaft nutzbar. Betreibt der Kaufmann indes ein Immobiliengeschäft, wird ein Teil der Grundstücke regelmäßig nur zum Zweck der Weiterveräußerung erworben. Der individuelle Zweck steht insoweit deren Zuordnung zum AV entgegen. Analoge Beispiele sind Anteile bei Finanzierungsgesellschaften oder Pkw bei Autohändlern. Die wirtschaftliche Zweckbestimmung ist nicht an eine unmittelbare Nutzung im Geschäftsbetrieb gebunden. Anderenfalls dürften z. B. verschiedene Finanzanlagen nicht im AV ausgewiesen werden.

 

Rn. 46

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Analyse der objektiv-sachlichen Komponente reicht in vielen Fällen nicht aus, um eine eindeutige Zuordnung vornehmen zu können. In solchen Fällen kommt es auf den subjektiven Willen des Kaufmanns an. Die subjektive Widmung, d. h. die vom Kaufmann präferierte Bilanzierung, ist v.a. bei Wertpapieren, die ein Industrie-UN hält, entscheidend. Bei anderen VG ist der subjektive Wille jedoch zu relativieren (vgl. R 6.1 Abs. 1 Satz 2f. EStR (2012)). Die endgültige Einordnung muss nach Abwägung aller Definitionsmerkmale von AV bzw. UV vorgenommen werden. "Abgesehen von Fällen von Willkür und Missbrauch kommt" der Zuordnung des Kaufmanns "zum Anlage- oder Umlaufvermögen entscheidende Bedeutung zu" (NWB HGB-Komm. (2022), § 247, Rn. 32 (beide Zitate)).

 

Rn. 47

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Dem UV dürfen bestimmte VG nur zugerechnet werden, wenn tatsächlich die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Veräußerung besteht (vgl. Bieg, DB 1985, Beilage Nr. 24 zu Heft 41, S. 1 (7f.)):

  • Stillgelegte Anlagen, die später wieder in Betrieb genommen werden sollen, müssen weiterhin im AV ausgewiesen bleiben.
  • Grundstücke, die zur kurzfristigen Veräußerung bestimmt sind, gehören auch dann zum UV, wenn sie in der Zwischenzeit betrieblich genutzt werden.
  • Grundstücke, die ein "Industrieunternehmen erworben hat, um eine Forderung vor dem Ausfall zu retten" (ADS (1998), § 247, Rn. 115), können nur dann dem AV zuzurechnende VG sein, wenn beabsichtigt ist, solche Grundstücke nicht kurzfristig wieder zu veräußern.
  • In umgekehrter Analogie werden z. B. Autohändler Vorführwagen zutreffend regelmäßig als AV ausweisen, obwohl diese normalerweise binnen zwölf Monaten veräußert werden (vgl. BFH, Urteil vom 17.11.1981, VIII R 86/78, BStBl. II 1982, S. 344f.).
  • Ebenfalls zum AV zählen Musterhäuser, -küchen oder -elektrogeräte, die zum Zweck der Werbung aufgestellt wurden (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 247 HGB, Rn. 354).
  • Ausgegebene und käuflich erworbene Emissionsberechtigungen i. S. d. Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) sind im UV auszuweisen. Daraus ist nicht abzuleiten, dass der für die Verwendung im Produktionsprozess bestimmte Teil – ggf. unter Anpassung der Postenbezeichnung – unter den Vorräten (hier: Betriebsstoffen) auszuweisen ist (vgl. so aber IDW RS HFA 15 (2006), Rn. 7; WP-HB (2021), Rn. F 399).
  • Zum Einbau in VG des AV bestimmte Ersatzteile ebenso wie Reparaturmaterialien können, Spezialersatzteile müssen im AV ausgewiesen werden (vgl. Haufe HGB-Komm. (2021), § 247, Rn. 28).
  • Leergut verbleibt bei individualisierten Einheitsflaschen auch beim Verkauf beim Hersteller respektive Vertreiber und ist daher AV (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2007, II ZR 233/05, BGHZ 173, S. 159ff.).
 

Rn. 48

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Zeitkomponente, die im Kriterium der Dauerhaftigkeit zum Ausdruck kommt, ist nicht definiert. Dauerhaftigkeit ergibt sich aus den vor und nach dem BilSt gegebenen Umständen. Sie setzt zum einen voraus, dass ein VG betriebliche Nutzungen über einen gewissen Zeitraum abgibt. Zum anderen kann ein VG nicht zum AV zählen, wenn er im Produktionsprozess ggf. über einen mehrjährigen Zeitraum weiter verarbeitet werden soll.

 

Rn. 49

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit kann die tatsächliche ND bieten. Bei nicht abnutzbaren VG gilt das Dauerhaftigkeitskriterium als erfüllt, wenn die ND zwölf Monate übersteigt (vgl. bezogen auf Ausleihungen WP-HB (2021), Rn. F 360, m. w. N.). Dabei gilt: "Ausleihungen mit einer vereinbarten Laufzeit von mindestens vier Jahren [sind, d.Verf.] stets Anlagevermögen und mit einer vereinbarten Laufzeit von nicht mehr als einem Jahr stets Umlaufvermögen" (Beck Bil-Komm. (2020), § 247 HGB, Rn. 357). Aber eine Mindestverweildauer existiert weder in der HB noch StB. Indes gelten (widerlegbare) Grenzen für eine Zugehörigkeit zum UV. Diese betragen vier (HB) bzw. sechs Jahre ((StB); vgl. R 6b.3 Abs. 1 EStR (2012)). Zudem indiziert eine Verweildauer von weniger als sechs Monaten im BV eine Zuordnung zum UV (vgl. Kirchhof: EStG (2021), § 6, Rn. 22). Die Fristziehung (≤ 12 Monate, stets ...

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