1. Grundlagen der ertragsteuerlichen Organschaft

 

Rn. 300

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Charakteristisches Merkmal einer ertragsteuerlichen Organschaft ist die Zurechnung des steuerlichen Einkommens der Organgesellschaft zum Einkommen des Organträgers, der als Steuerschuldner die Ertragsteuerzahlungen zu leisten hat. Die Organgesellschaft bleibt dennoch Steuersubjekt der Ertragsbesteuerung (vgl. Beck-HdR, B 235 (2016), Rn. 174). Die Begründung und Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft setzt die Erfüllung diverser Tatbestandsmerkmale voraus (vgl. §§ 14, 17 KStG), u. a. die mehrheitliche Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft, den Abschluss eines zivilrechtlich wirksamen GAV i. S. v. § 291 Abs. 1 AktG sowie dessen tatsächliche Durchführung in Form der Abführung des ganzen Gewinns bzw. die Übernahme des ganzen Verlusts. Die Höhe des abzuführenden Gewinns respektive des zu übernehmenden Verlusts bestimmt sich nach dem handelsrechtlichen Ergebnis. Sofern die Regelungen des § 301 AktG einschlägig sind, ist als Gewinn höchstens der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem VJ sowie den nach § 300 AktG in die gesetzlichen Rücklagen einzustellenden und nach § 268 Abs. 8 ausschüttungsgesperrten Betrag abzuführen. Ein Gewinn ist zwingend und vollständig an den Organträger abzuführen und darf nur in den engen Grenzen des § 14 Abs. 1 Nr. 4 KStG in die Gewinnrücklagen eingestellt werden. Minderabführungen in organschaftlicher Zeit stellen eine Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft dar, eine Mehrabführung hingegen eine Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger (vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1f. KStG). Bestehen zu Beginn der Organschaft Unterschiede zwischen den handels- und ertragsteuerlichen Wertansätzen und ergeben sich hieraus vororganschaftliche Mehrabführungen, gelten diese als Gewinnausschüttungen (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG). Resultieren hieraus hingegen vororganschaftliche Minderabführungen, sind diese als Einlagen zu behandeln (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 2 KStG).

2. Ansatz von latenten Steuern

a) Überblick

 

Rn. 301

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Konzeption und der Wortlaut in § 274 gehen von einer Personenidentität aus, wonach die Ursache für den Ansatz von latenten Steuern (Entstehen einer temporären Differenz) sowie die künftige Wirkung (Steuerbe- oder -entlastung) durch einen Rechtsträger verwirklicht werden (vgl. Herzig/Liekenbrock/Vossel, Ubg 2010, S. 85 (86); Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, S. 1971 (1973)). Während des Bestehens einer Organschaft ist dieses Prinzip durchbrochen, da die VG, Schulden und RAP der Organgesellschaft zwar ursächlich für das Entstehen von temporären Differenzen sind, die Organgesellschaft jedoch keine Steuerbe- oder -entlastung erfährt, weil der Organträger Steuerschuldner ist. Damit können sich bei ihr während der organschaftlichen Zeit keine steuerlichen Wirkungen aus der Umkehrung von temporären Differenzen ergeben. Da latente Steuern nur insoweit anzusetzen sind bzw. angesetzt werden dürfen, als künftige Steuerbe- oder -entlastungen in Form von laufenden Steueraufwendungen bei einem bilanzierenden UN entstehen, scheidet die Bilanzierung von latenten Steuern auf temporäre Differenzen der Organgesellschaft, die während der organschaftlichen Zeit entstehen, grds. aus.

 

Rn. 302

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Vielmehr wirken sich die steuerlichen Konsequenzen aus der Umkehrung der temporären Differenzen über die steuerliche Einkommenszurechnung beim Organträger aus. Da der Organträger die Ertragsteuern aller der in den Organkreis eingebundenen Gesellschaften schuldet, hat er auch die latenten Steuern aus den temporären Differenzen dieser Gesellschaften (Organträger und Organgesellschaften) zu bilanzieren. Diese Ansicht folgt der formalen Betrachtungsweise und verortet den Ansatz von latenten Steuern bei dem Rechtsträger, der die Steuer formal schuldet (vgl. DRS 18.32; Ellerbusch/Schlüter/Hofherr, DStR 2009, S. 2443 (2445)).

 

Rn. 303

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Entscheidend für den Ansatz von latenten Steuern ist somit nicht die Gesellschaft, die ursächlich für die Entstehung der temporären Differenzen ist (Organgesellschaft), sondern die, die Ertragsteuern schuldet und begleicht (Organträger). Die h. M. im Schrifttum folgt dieser Argumentationslinie und fordert daher den Ansatz von latenten Steuern für temporäre Differenzen der Organgesellschaft beim Organträger (vgl. DRS 18.32; Kühne/Melcher/Wesemann, WPg 2009, S. 1057 (1059); Beck Bil-Komm. (2022), § 274 HGB, Rn. 70; Beck-HdR, B 235 (2016), Rn. 175).

 

Rn. 304

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Von dem dargestellten Grundsatz, wonach das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet wird, gibt es jedoch Ausnahmen, so etwa, wenn die Organgesellschaft eine von ihr nach § 304 AktG an außenstehende Gesellschafter geleistete Ausgleichszahlung selbst versteuern muss (vgl. § 16 KStG). Die Bemessungsgrundlage der Organgesellschaft auf Basis der Ausgleichszahlung ist jedoch unabhängig vom Auf-/Abbau temporärer Differenzen. Auch ist die Ausgleichszahl...

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