Rn. 189

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Das AktG gibt weder Aufschluss darüber, wie das "einzurichtende Überwachungssystem" gestaltet sein muss (vgl. Brebeck/Herrmann, WPg 1997, S. 381 (387)), noch wie es zu prüfen ist. Die Gestaltung des Überwachungssystems kann schon deshalb nicht in der gesetzlichen Vorschrift vorgegeben werden, weil es entsprechend der Größe und Branche des zu prüfenden UN ausgestaltet sein muss. Die Gestaltung des Überwachungssystems obliegt damit dem Ermessensspielraum der gesetzlichen Vertreter, wodurch der Prüfungsgegenstand eine UN-individuelle Ausprägung annimmt (vgl. Ernst (1999), S. 1 (8)). Zur Prüfung des Überwachungssystems hat das IDW die berufsständische Auffassung in IDW PS 340 (2022) "Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems" zusammengefasst. IDW PS 340 (2022) konkretisiert die nach § 317 Abs. 4 bestehende gesetzliche Verpflichtung des AP zur Prüfung des Überwachungssystems.

 

Rn. 190

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Nach § 317 Abs. 4 hat der AP zu beurteilen, ob die gemäß § 91 Abs. 2 AktG vom Vorstand geforderten Maßnahmen (v.a. die Einrichtung eines Systems zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Risiken) in geeigneter Form getroffen wurden und das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann (vgl. Bonner HGB-Komm. (2022), § 317, Rn. 157). Dies umfasst die Beurteilung, ob die Maßnahmen während des gesamten zu prüfenden Zeitraums eingehalten wurden.

 

Rn. 191

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Nach dem Wortlaut bezieht sich § 91 Abs. 2 AktG nicht auf sämtliche potenzielle Risiken, welche die Entwicklung eines UN beeinträchtigen können, sondern lediglich auf bestandsgefährdende Risiken (vgl. WP-HB (2023), Rn. O 30). Dabei handelt es sich um diejenigen Risiken, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Risiken dem Ziel der UN-Fortführung entgegenstehen können (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 8 lit. b)). Um bestandsgefährdende Risiken systematisch erfassen zu können, müssen die gemäß § 91 Abs. 2 AktG vom Vorstand geforderten Maßnahmen auch diejenigen Risiken erfassen, die einzeln betrachtet dem Ziel der UN-Fortführung nicht entgegenstehen. Diese Einzelrisiken können sich kumulieren oder in Wechselwirkung mit anderen Risiken bestandsgefährdend werden. Bestehende Risiken können sich zudem im Zeitverlauf ändern, zuvor nicht absehbare Risiken können zusätzlich auftreten (vgl. Otremba/Joos/Tiecks, BB 2020, S. 1913 (1916)). Daher müssen auch die nicht unmittelbar bestandsgefährdenden Risiken in die vom Vorstand geforderten Maßnahmen integriert und vom AP in die Prüfung gemäß § 317 Abs. 4 einbezogen werden (vgl. WP-HB (2023), Rn. O 31).

 

Rn. 192

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die Beurteilung, ob bestandsgefährdende Risiken vorliegen, erfordert die Ermittlung der UN-individuellen Risikotragfähigkeit durch den Vorstand (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 10). Die Risikotragfähigkeit beschreibt das max. Risikoausmaß, welches ein UN ohne Gefährdung seines Fortbestands tragen kann (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 8 lit. c)). Dieses ist i. d. R. von der wirtschaftlichen Lage des UN, seiner Größe und seinen Möglichkeiten zur Kap.-Aufbringung sowie vom regulatorischen und geschäftlichen Umfeld abhängig (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. A5). Es liegt in der Pflicht des Vorstands, die Risikotragfähigkeit des UN zu ermitteln (vgl. Otremba/Joos/Tiecks, BB 2020, S. 1913 (1915); Diederichs et al., WPg 2022, S. 815 (816)). Auf welche Methode der Vorstand dazu konkret zurückzugreifen hat, ist gesetzlich nicht geregelt und liegt damit im Ermessen des Vorstands (vgl. zu einem Fallbeispiel Diederichs et al., WPg 2022, S. 815 (818ff.)).

Bestandsgefährdende Risiken können sich auch aus der Kombination von Einzelrisiken ergeben, welche bei einzelner Betrachtung an sich nicht bestandsgefährdend sind. Bei der Beurteilung, ob bestandsgefährdende Risiken vorliegen, ist daher eine Aggregation der Einzelrisiken zu einer Gesamtrisikoposition vorzunehmen. Dazu können anerkannte qualitative und quantitative Verfahren herangezogen werden, z. B. Expertenschätzungen, Heuristiken, Szenarioanalysen oder IT-basierte Simulationsverfahren, wie Monte-Carlo-Simulationen (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. A18, sowie die Diskussion bei Schmidt/Gleißner, WPg 2020, S. 1149 (1151f.)). Zur finalen Beurteilung, ob eine Bestandsgefährdung hinsichtlich der VFE-Lage des UN vorliegt, hat der Vorstand die ermittelte UN-individuelle Risikotragfähigkeit mit der Gesamtrisikoposition des UN zu vergleichen (vgl. Wermelt/Oehlmann, WPg 2019, S. 1026 (1027)).

 

Rn. 193

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG wird in der Praxis i. d. R. nicht als gesondertes System eingerichtet; vielmehr wird es in bestehende Systeme integriert, z. B. dem IKS, dem CMS oder dem Risikomanagementsystem. Das Risikofrüherkennungssystem sowie das zur Überwachung des Risikomanagements einzurichtende IÜS sind grds. Bestandteile des umfassenden Risikomanagementsystems eines UN (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 3; Link/Scheffler/Oehlmann, WPg 2020, S. 937 (94...

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