1. Begriffe "Induktion" und "Deduktion"

 

Rn. 8

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die im Schrifttum diskutierten Gewinnungsmethoden für GoB sind v.a. die Induktion und Deduktion (vgl. Leffson (1987), S. 28ff.). Hierbei ist wichtig, dass die Begriffe "Induktion" und "Deduktion" bzw. "Induzieren" und "Deduzieren" nicht mit den gleichlautenden Begriffen im streng mathematisch-logischen Sinn, z. B. mit der Deduktion mathematischer Formeln, gleichgesetzt oder verwechselt werden dürfen (vgl. Beisse, StuW 1984, S. 1 (3, 8); a. A. Schneider (1997), S. 108). Die beiden Begriffe werden hier vielmehr verwendet, um die Ermittlung von gesetzlich noch nicht kodifizierten GoB zu charakterisieren. Bei der Induktion wird von den konkreten Bilanzierungsweisen der Praxis und bei der Deduktion von den Zwecken von Buchführung und JA auf die GoB geschlossen. Beide Gewinnungsmethoden sind in reiner Form bestenfalls für die Suche nach gesetzlich noch nicht kodifizierten GoB geeignet und lassen sich wie in der folgenden Übersicht dargestellt veranschaulichen:

Übersicht: Induktion und Deduktion als alternative Methoden zur Gewinnung von GoB

 

Rn. 9

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Beide Methoden werden im Schrifttum üblicherweise als sich gegenseitig ausschließende alternative Methoden betrachtet (vgl. mit Modifizierung Leffson (1987), S. 31).

2. Induktive und deduktive Vorgehensweise

 

Rn. 10

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Als induktiv wird die Methode bezeichnet, bei der von den Gepflogenheiten der Kaufleute auf einen oder mehrere GoB geschlossen wird. Diese Methode wird vom überwiegenden Teil der Literatur verworfen (vgl. u. a. Döllerer, WPg 1959, S. 653 (654); Leffson (1964), S. 10; Spitaler, StuW 1959, Sp. 633 (634); relativierend Schneider (1997), S. 108; BeckOGK-HGB (2021), § 243, Rn. 4; a. A. Tiefenbacher, BB 1961, S. 1111 (1112)). Kaufleute sind bei der Gewinnung von GoB keine neutralen Sachverständigen (vgl. Leffson (1987), S. 119); vielmehr könn(t)en sie bei diesem Vorgehen ihre subjektiven Interessen vorrangig berücksichtigen (vgl. Baetge/Ballwieser, BFuP 1977, S. 199 (201)). Diese induktive Methode würde erlauben, dass von den Kaufleuten einseitig gesetzte, aber nicht offengelegte und ggf. nicht mit dem Gesetz im Einklang stehende Zwecke die Bildung von GoB bestimmen. Die Gesamtheit der GoB erhielte auf diese Weise den Charakter der Beliebigkeit. Die "Geschlossenheit" – im obigen Sinn (vgl. HdR-E, Kap. 2, Rn. 7) – und die Systematik der GoB gingen verloren. Die induktive Methode ist deshalb zur Gewinnung eines i. d. S. "geschlossenen" GoB-Systems nicht geeignet (vgl. Beisse, BFuP 1990, S. 499 (502)).

 

Rn. 11

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Ausgangspunkt der Diskussion über die Gewinnung von GoB war ein Aufsatz von Schmalenbach (ZfhF 1933, S. 225ff.), in dem er als Quelle der GoB die Ansichten der "ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute" bezeichnete. Er erachtete nur das als GoB, was man in der Praxis ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute für richtig hielt. Indes ist auch diese qualifizierende induktive Methode unzureichend, weil sich ohne objektiven Maßstab kaum klären lässt, welches die Ansichten der ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute im Unterschied zu denen anderer Kaufleute sind. Auch die von Schmalenbach empfohlene Filterung der deduktiv gewonnenen fachwissenschaftlichen Bilanzierungspostulate durch die Ansichten der ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute ist nicht sinnvoll, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die von den Kaufleuten herausgefilterten, d. h. nicht akzeptierten, Bilanzierungsweisen die vom Gesetzgeber festgelegten Gewichte von Zweckelementen unzulässig verschoben werden (vgl. HdR-E, Kap. 2, Rn. 44).

 

Rn. 12

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Bei der sog. deduktiven Methode wird versucht, die GoB aus den Zwecken der Buchführung und des JA "herzuleiten" bzw. zu "deduzieren" (vgl. Leffson (1987), S. 29f.). Hierbei lassen sich in der Literatur (vgl. Yoshida, in: FS Leffson (1976), S. 49ff.; Moxter, StuW 1983, S. 300ff.; Mellwig, BB 1983, S. 1613ff.; Schneider, StuW 1983, S. 141 (158f.); Beisse, StuW 1984, S. 1 (3f.)) zwei Ansätze für die Deduktion von GoB unterscheiden:

(1) die betriebswirtschaftlich deduktive Methode und
(2) die handelsrechtlich deduktive Methode.
 

Rn. 13

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Voraussetzung für die betriebswirtschaftlich deduktive Methode zur Gewinnung betriebswirtschaftlicher GoB (vgl. Yoshida, in: FS Leffson (1976), S. 49 (54ff.)) ist ein eindeutiges, widerspruchsfreies und allg. anerkanntes Zwecksystem für Buchführung und JA. Ein solches Zwecksystem liegt vor, wenn ausschließlich allg. anerkannte, eindeutige und widerspruchsfreie Zweckelemente in die Deduktionsbasis eingehen. Die betriebswirtschaftlich deduktive Methode bietet nur unter dieser Voraussetzung die Gewähr dafür, dass ein betriebswirtschaftlich akzeptables GoB-System ermittelt werden kann. Die betriebswirtschaftlich akzeptablen Zweckelemente von Buchführung und JA sollen sich nach Ansicht des Schrifttums aus der sog. Natur der Sache, d. h. aus der Natur der Buchführung und des JA, ergeben (vgl. Leffson (1987), S. 34; Kruse (1970)...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge