Rn. 62

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Die Bilanzierungsfähigkeit transitorischer RAP hängt gemäß § 250 Abs. 1f. von drei Voraussetzungen ab (vgl. HdR-E, HGB § 250, Rn. 17), wobei das Vorliegen einer Ausgabe bzw. Einnahme vor dem Abschlussstichtag das erste Prüfungskriterium darstellt. Interpretationsbedürftig sind dabei

(1) das Begriffspaar "Ausgabe/Einnahme" sowie
(2) die Zeitbestimmung "vor dem Abschlussstichtag".
 

Rn. 63

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Die im Gesetz nicht näher erläuterten Termini "Ausgaben/Einnahmen" werden wie folgt definiert:

(1) Ausgaben: Zahlungsmittelabfluss + Verminderung von Forderungen + Erhöhung von Verbindlichkeiten;
(2) Einnahmen: Zahlungsmittelzufluss + Erhöhung von Forderungen + Verminderung von Verbindlichkeiten.

Diese Definition stellt also nicht nur auf das Vorliegen reiner, d. h. sowohl barer (Kasse) als auch unbarer (Bank) Zahlungsvorgänge ab (inkl. der Hergabe bzw. Entgegennahme von Wechseln), sondern schließt auch gebuchte Forderungen und Verbindlichkeiten ein. Wenn der Gesetzgeber dies auch nicht ausdrücklich formuliert hat, dürfte die obige betriebswirtschaftliche Definition, dass "Ausgaben und Einnahmen [...] nicht nur Zahlungsvorgänge, sondern auch die Einbuchung von Forderungen und Verbindlichkeiten" (Biener/Berneke (1986), S. 85) umfassen, die h. M. wiedergeben (vgl. mitunter Niermeyer, BBK 1987, S. 3073 (3075); Wöhe (1997), S. 15; a. A. z. B. HdB (1986), Stichwort-Nr. 104, S. 7ff.). AdlerDüring/Schmaltz knüpfen allerdings an die Gleichsetzung der Einbuchung von Forderungen bzw. Verbindlichkeiten mit Zahlungsvorgängen die zusätzliche Bedingung, dass diese "bei vertragsgemäßer Abwicklung des Geschäfts durch vor dem Ende der Abschlußperiode liegende Zahlungsvorgänge erloschen wären" (ADS (1968), § 152 AktG, Rn. 180). I.S.d. gesetzlichen Formulierung in § 250 Abs. 1f. sind die Begriffe "Ausgaben/Einnahmen› gleichwohl als jedwede effektive ›Vermögensminderung bzw. -mehrung" zu interpretieren, mithin nicht auf reine Zahlungsvorgänge beschränkt (vgl. auch Blümich (2021), § 5 EStG, Rn. 670, 902; NWB HGB-Komm. (2023), § 250, Rn. 31; HdJ, Abt. II/9 (2021), Rn. 69; H/H/R (2021), § 5 EStG, Rn. 2185, 2210; L/B/P (2012/2016), §§ 4, 5 EStG, Rn. 808, 939; restriktiver BeckOGK-HGB (2020), § 250, Rn. 19f.), was wiederum durch die ständige Rspr. (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 20.11.1980, IV R 126/78, BStBl. II 1981, S. 398; BFH, Urteil vom 24.03.1982, IV R 96/78, BStBl. II 1982, S. 643; fernerhin Bonner-HdR (2020), § 250 HGB, Rn. 61) untermauert wird.

 

Rn. 64

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Die Ausgaben bzw. Einnahmen sollen nach dem Gesetzestext vor dem Abschlussstichtag getätigt worden sein. Diese Formulierung könnte die Vermutung nahe legen, dass am "Abschlußstichtag selbst vorgenommene Zahlungsvorgänge (im erweiterten Sinne) von der Abgrenzung ausgenommen" (ADS (1968), § 152 AktG, Rn. 181) sind. Dieser Ansicht wird nach h. M. nicht gefolgt (vgl. z. B. Beck-HdR, B 218 (1987), S. 3; L/B/P (2012), §§ 4, 5 EStG, Rn. 809); vielmehr ist jene Formulierung so zu interpretieren, dass die Ausgaben bzw. Einnahmen bis zum Ende des Abschlussstichtags des GJ erfolgt sein müssen (vgl. auch Beck-HdR, B 218 (2019), Rn. 17f.; HdJ, Abt. II/9 (2021), Rn. 71; Bonner-HdR (2020), § 250 HGB, Rn. 63). Noch evidenter wird dies mit Blick auf die zweite Voraussetzung für die Bilanzierungsfähigkeit von RAP, wonach die betreffenden Ausgaben bzw. Einnahmen nämlich Aufwand bzw. Ertrag nach dem Abschlussstichtag darstellen müssen (vgl. HdR-E, HGB § 250, Rn. 65ff.). Würde also die Formulierung "vor dem Abschlussstichtag" so ausgelegt werden, dass der Abschlussstichtag selbst nicht einzubeziehen ist, würden sämtliche Ausgaben/Einnahmen dieses bestimmten Tags nie abzugrenzen sein, was aber als völlig unsinnig anzusehen wäre.

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