Tz. 39

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Nach § 147 Abs. 6 AO wird den Finanzbehörden seit dem 01.01.2002 das Recht eingeräumt, die "mit Hilfe eines DV-Systems erstellten und nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen durch Datenzugriff zu prüfen" (BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1284)). V.a. der zunehmend papierlos abgewickelte Geschäftsverkehr hat zu dieser Entwicklung wesentlich beigetragen. Dieses Recht wird den Finanzbehörden allerdings nur i. R.d. gesetzlichen Regelungen, wie bspw. einer Außenprüfung, gewährt (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1284)). Die wesentlichen Punkte, die auch für das handelsrechtliche Rechnungswesen Bedeutung haben, werden im Folgenden kurz dargestellt.

 

Tz. 40

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Der sachliche Umfang einer Außenprüfung gemäß § 194 AO wird jedoch dadurch nicht erweitert; die Änderungen ergeben sich lediglich aus der notwendigen Anpassung von Prüfungsmethoden an die modernen Buchführungstechniken (vgl. dazu und im Folgenden BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1284ff.)). Der Datenzugriff der Finanzverwaltung umfasst die nach steuerlichen und außersteuerlichen Vorschriften aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen; darunter fallen insbesondere die Daten der Finanz-, Anlagen-, Lohnbuchhaltung sowie aller Vor- und Nebensysteme (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1284)). Soweit sich allerdings auch aus anderen Bereichen steuerlich relevante Daten ergeben, sind auch diese für Zwecke einer Außenprüfung bereitzuhalten. Neben den Daten im eigentlichen Sinne sollen bei Bedarf ferner auch die Teile der Verfahrensdokumentation zur Verfügung gestellt werden, die für das Durchdringen des DV-Systems vonnöten sind (vgl. BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1284)).

 

Tz. 41

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Der Finanzverwaltung stehen i. R.d. Ausübung des Datenzugriffsrechts i.W. drei Möglichkeiten offen (vgl. hierzu BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, BStBl. I 2019, S. 1269 (1285)):

(1) Das Recht des unmittelbaren Datenzugriffs: Die Finanzverwaltung nimmt selbst unmittelbar, d. h. direkt i. R.e. Nur-Lesezugriffs Einsicht in die relevanten Daten und bedient sich dabei der vom Steuerpflichtigen oder von einem beauftragten Dritten eingesetzten Hard- und Software zur Prüfung der gespeicherten (Stamm-)Daten bzw. Verknüpfungen. Ein Nur-Lesezugriff beinhaltet in diesem Zusammenhang ausschließlich das Lesen und Analysieren mittels der im DV-System vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten; ein Online-Zugriff ist aber ausgeschlossen.
(2) Das Recht des mittelbaren Datenzugriffs: Die Finanzverwaltung nimmt nur mittelbar, d. h. indirekt Einsicht in die relevanten Daten, indem sie vom Steuerpflichtigen verlangen kann, dass dieser für sie die Daten entsprechend auswertet oder von einem beauftragten Dritten auswerten lässt, um einen Nur-Lesezugriff zu gewährleisten. Eine Auswertung ist dabei auf die zur Verfügung stehenden Auswertungsmöglichkeiten begrenzt.
(3) Das Recht der Datenträgerüberlassung: Die Finanzverwaltung kann vom Steuerpflichtigen verlangen, ihr die aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zu überlassen. Sie ist verpflichtet, spätestens nach Bestandskraft der auf Basis der Außenprüfung ergangenen Bescheide den Datenträger zurückzugeben und die Daten zu löschen.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jedoch stets gewahrt bleiben.

 

Tz. 42

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Aus dem Zugriff der Finanzverwaltung können erhebliche Probleme resultieren. So bleibt die Frage der Haftung gänzlich ungeklärt. Es wird zu Recht kritisiert, dass bspw. durch eine unsachgemäße Handhabung der Finanzverwaltung bei einem unmittelbaren Datenzugriff das gesamte System zum Absturz führen kann. Ferner kann es bei Datenträgerüberlassung dazu kommen, dass Viren das System irreparabel beschädigen; gleichzeitig ist die Sicherheit von Betriebsgeheimnissen nicht mehr gewahrt. So werden weitere Möglichkeiten für "Hacker" eröffnet, an betriebsinterne Daten heranzukommen (vgl. dazu Kuhsel/Kaeser, DB 2001, S. 1583 (1585)). Die Regelung des § 147 Abs. 6 AO erscheint insgesamt systemfremd; sie sollte in der Weise modifiziert werden, dass die Finanzverwaltung ihre Prüfungsrechte zwar umfassend wahrnehmen kann, ein UN aber im Sinne unternehmerischer Betätigung der "Herr" seines Rechnungswesens bleibt.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge