I. Anwendungsbereich

 

Rn. 43

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

"Beim Anlagevermögen sind nur die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen" (§ 247 Abs. 2). Die Definition des AV gilt gleichermaßen sowohl für Nicht-KapG als auch für KapG und diesen gleichgestellte UN, die ihre Bilanz nach § 266 gliedern müssen. Bei den in § 266 Abs. 2 aufgeführten Posten des AV gilt die widerlegbare Vermutung, dass es sich um beispielhafte Aufzählungen der zum AV zählenden Posten handelt. Verschiedene der in § 266 Abs. 2 als immaterielle VG und Sachanlagen genannten VG sind jedoch bspw. den Vorräten zuzurechnen, wenn das bilanzierende UN sie produziert und/oder vertreibt.

§ 247 enthält keine explizite Definition des UV. Ableiten lässt sich nur eine (unscharfe) Negativdefinition. Hierzu müssen alle Aktivposten zählen, die nicht AV, RAP, aktive latente Steuern oder ein aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung sind. Positivdefinitionen in der Literatur stellen darauf ab, dass das UV i. R.d. betrieblichen Tätigkeit verkaufs-, verbrauchs- oder verarbeitungsbestimmt (vgl. nur Mellerowicz/Brönner (1970), § 151 AktG, Rn. 41) und somit dazu bestimmt ist, in einem Umsatz- oder Verbrauchsakt unterzugehen.

II. Bedeutung der Trennung

 

Rn. 44

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Unterscheidung von AV und UV ist aus Sicht des Bilanzierenden sowie aus Sicht der Adressaten bedeutsam. Für den Bilanzierenden ergeben sich aus der Zuordnung zum AV oder UV unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsnormen (vgl. § 253 Abs. 3f.) sowie angesichts der Maßgeblichkeit der HB für die StB auch steuerliche Folgewirkungen.

Aus Sicht der Adressaten ist die Trennung von gebrauchs- und verbrauchsbestimmten Faktoren für die (vergleichende) Beurteilung der UN bedeutsam. Auf dieser Differenzierung basieren u. a. zahlreiche bilanzanalytische Kennzahlen, z. B. zur Analyse der Vermögensstruktur sowie zur Analyse der (Solidität der) Finanzpolitik (vgl. nur Küting/Weber (2015), S. 111ff.).

III. Kriterien der Trennung

 

Rn. 45

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Für die wirtschaftliche Zweckbestimmung eines VG kommt es zum einen auf die objektive Eignung eines VG und zum anderen auf die subjektive Widmung des Kaufmanns an (vgl. ADS (1998), § 247, Rn. 110ff.). Die objektiv-sachliche Komponente ergibt sich aus der Art eines VG bzw. aus dessen typischer Nutzung in einer Branche. So sind etwa Grundstücke i. d. R. dauerhaft nutzbar. Betreibt der Kaufmann indes ein Immobiliengeschäft, wird ein Teil der Grundstücke regelmäßig nur zum Zweck der Weiterveräußerung erworben. Der individuelle Zweck steht insoweit deren Zuordnung zum AV entgegen. Analoge Beispiele sind Anteile bei Finanzierungsgesellschaften oder Pkw bei Autohändlern. Die wirtschaftliche Zweckbestimmung ist nicht an eine unmittelbare Nutzung im Geschäftsbetrieb gebunden. Anderenfalls dürften z. B. verschiedene Finanzanlagen nicht im AV ausgewiesen werden.

 

Rn. 46

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Analyse der objektiv-sachlichen Komponente reicht in vielen Fällen nicht aus, um eine eindeutige Zuordnung vornehmen zu können. In solchen Fällen kommt es auf den subjektiven Willen des Kaufmanns an. Die subjektive Widmung, d. h. die vom Kaufmann präferierte Bilanzierung, ist v.a. bei Wertpapieren, die ein Industrie-UN hält, entscheidend. Bei anderen VG ist der subjektive Wille jedoch zu relativieren (vgl. R 6.1 Abs. 1 Satz 2f. EStR (2012)). Die endgültige Einordnung muss nach Abwägung aller Definitionsmerkmale von AV bzw. UV vorgenommen werden. "Abgesehen von Fällen von Willkür und Missbrauch kommt" der Zuordnung des Kaufmanns "zum Anlage- oder Umlaufvermögen entscheidende Bedeutung zu" (NWB HGB-Komm. (2022), § 247, Rn. 32 (beide Zitate)).

 

Rn. 47

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Dem UV dürfen bestimmte VG nur zugerechnet werden, wenn tatsächlich die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Veräußerung besteht (vgl. Bieg, DB 1985, Beilage Nr. 24 zu Heft 41, S. 1 (7f.)):

  • Stillgelegte Anlagen, die später wieder in Betrieb genommen werden sollen, müssen weiterhin im AV ausgewiesen bleiben.
  • Grundstücke, die zur kurzfristigen Veräußerung bestimmt sind, gehören auch dann zum UV, wenn sie in der Zwischenzeit betrieblich genutzt werden.
  • Grundstücke, die ein "Industrieunternehmen erworben hat, um eine Forderung vor dem Ausfall zu retten" (ADS (1998), § 247, Rn. 115), können nur dann dem AV zuzurechnende VG sein, wenn beabsichtigt ist, solche Grundstücke nicht kurzfristig wieder zu veräußern.
  • In umgekehrter Analogie werden z. B. Autohändler Vorführwagen zutreffend regelmäßig als AV ausweisen, obwohl diese normalerweise binnen zwölf Monaten veräußert werden (vgl. BFH, Urteil vom 17.11.1981, VIII R 86/78, BStBl. II 1982, S. 344f.).
  • Ebenfalls zum AV zählen Musterhäuser, -küchen oder -elektrogeräte, die zum Zweck der Werbung aufgestellt wurden (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 247 HGB, Rn. 354).
  • Ausgegebene und käuflich erworbene Emissionsberechtigungen i. S. d. Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) sind im UV auszuweisen. Daraus ist nicht abzuleiten, dass der für die Verwendung im Produktionsprozess bestimmt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge