Rn. 95

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die Vorschriften der §§ 15ff. AktG sind in der Weise angelegt, dass über eine Vermutungskaskade bei Erfüllung der Voraussetzungen auf einer vorgelagerten Stufe die Charakteristiken der nachgelagerten Stufe zutreffen. Für die nachfolgenden Ausführungen wird die Annahme getroffen, dass in den aufgezeigten Fällen weder ein BHV (i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG) noch eine Eingliederung (i. S. d. §§ 319f. AktG) vorliegt. M.a.W.: Nachstehende Dar- respektive Überlegungen gehen von einem faktischen Konzern aus.

(1)

Auf der ersten Stufe der Vermutungskette wird zunächst widerlegbar vermutet, dass ein in Mehrheitsbesitz stehendes (anderes) UN von dem mit Mehrheit beteiligten UN abhängig ist (vgl. § 17 Abs. 2 AktG). Die Beweislast, dass trotz Mehrheitsbeteiligung keine Abhängigkeit gegeben ist, liegt bei demjenigen UN, das sich zur Vermeidung der Rechtsfolgen auf die nicht vorliegende Abhängigkeit beruft.

Übersicht: Verhältnis zwischen Mehrheitsbeteiligung und Abhängigkeit

In praxi stellt obige Schnittmenge (Fläche (2)) eindeutig den Regelfall dar (vgl. stellvertretend Dusemond/Küting/Wirth (2018), S. 38ff.; Emmerich/Habersack (2023), § 3, Rn. 41ff.).

(2)

Liegt eine Abhängigkeit vor, wird sodann die widerlegbare Vermutung ausgesprochen, dass ein abhängiges mit dem herrschenden UN einen Konzern bildet (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Die Beweislast, dass kein Konzerntatbestand vorliegt, trägt die Obergesellschaft.

Übersicht: Verhältnis zwischen Abhängigkeit und Konzerntatbestand

Auch bei diesem Vergleich stellt obige Schnittmenge (Fläche (2)) wiederum den in der Praxis bedeutsamsten (Regel-)Fall dar (vgl. so mitunter auch Dusemond/Küting/Wirth (2018), S. 41ff.; Emmerich/Habersack (2023), § 4, Rn. 26ff.). Für denjenigen Fall, dass ein BHV (i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG) existiert oder der Eingliederungstatbestand (i. S. d. § 319f. AktG) erfüllt ist, wird dagegen seitens des Gesetzgebers die unwiderlegbare Vermutung ausgesprochen, dass in diesen Fallkonstellationen von der Möglichkeit beherrschender Einflussnahme auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird, ergo der Konzerntatbestand dann unmittelbar als erfüllt anzusehen ist (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG).

 

Rn. 96

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Übersicht: Aktienrechtliche Vermutungskette

Damit liegt eine zweistufige Vermutungskette vor. Wird diese nicht widerlegt, so führt eine Mehrheitsbeteiligung zwangsläufig und unumgänglich zum Konzerntatbestand. In praxi dürften diese beiden Vermutungstatbestände in aller Regel nicht widerlegt werden (können). Dahinter steht mit Emmerich/Sonnenschein ((1997), S. 70) die durchaus "realistische Annahme der Gesetzesverfasser, daß herrschende Unternehmen ihren Einfluß in aller Regel auch tatsächlich [für Zwecke der Konzernbildung, d.Verf.] ausnutzen werden." Der ansonsten schwer fassbare Konzernbegriff wird damit zumindest ein Stück weit operationalisiert.

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