Rn. 127

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Von einem abhängigen UN in einem faktischen Konzern wird vermutet, dass es mit dem herrschenden UN einen Konzern bildet (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Diese Vermutung ist – ebenso wie die Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 AktG – widerlegbar. Dazu muss der Nachweis erbracht werden, dass trotz des herrschenden Einflusses keine Zusammenfassung unter der einheitlichen Leitung des herrschenden UN besteht, weil z. B. die bestehende Einflussmöglichkeit nicht realisiert wird. Ursprünglich sollte die gesetzliche Vermutung v.a. die Rechtsstellung des KA-Prüfers im Rahmen seiner Entscheidung über den Konsolidierungskreis stärken (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 18, Rn. 46). Die Prüfung des KA-Prüfers konnte sich danach auf die Feststellung einer Mehrheitsbeteiligung beschränken, denn bei einer Mehrheitsbeteiligung wird vermutet, dass sie ein Abhängigkeitsverhältnis begründet. Das Abhängigkeitsverhältnis begründet wiederum die Vermutung, dass eine einheitliche Leitung ausgeübt wird und damit ein Konzernverhältnis besteht. Wird dieses von der Konzernleitung bestritten, so trifft sie die Beweislast, darzutun, dass eine einheitliche Leitung nicht vorliegt. Mit der Auslagerung der Konzern-RL-Pflicht in das HGB (vgl. § 290) hat die Bedeutung der Vermutung für den KA-Prüfer allerdings abgenommen.

 

Rn. 128

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Widerlegung der Konzernvermutung kann zunächst durch den Nachweis erbracht werden, dass eine Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG nicht besteht (vgl. HdR-E, AktG §§ 15–19, Rn. 89ff.). Denn wenn bereits die Vermutung der Abhängigkeit (vgl. § 17 Abs. 2 AktG) widerlegt werden kann, dann entfallen auch die Voraussetzungen der Konzernvermutung (vgl. KK-AktG (2011), § 18, Rn. 40f.; Hüffer-AktG (2022), § 18, Rn. 19; MünchKomm. AktG (2019), § 18, Rn. 48; Emmerich/Habersack (2020), § 4, Rn. 28). Eine eigenständige Bedeutung kommt der Widerlegung i. S. d. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG also nur dann zu, wenn – ohne Rücksicht auf die Abhängigkeit – Tatsachen behauptet und bewiesen werden können, die zeigen, dass tatsächlich keine einheitliche Leitung ausgeübt wird (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 18, Rn. 19). Welche Einzelnachweise für eine Widerlegung der Vermutung zu verlangen sind, ist naturgemäß davon abhängig, wie weit der Konzernbegriff gefasst wird, d. h., ob man den engen oder den weiten Konzernbegriff zugrunde legt. Stellt man auf den engen Konzernbegriff (vgl. HdR-E, AktG §§ 15–19, Rn. 117) ab, bei dem es auf das Vorhandensein und die Durchsetzung einer konzernweiten Finanzplanung ankommt, dann ist das herrschende UN seiner Beweislast nachgekommen, "wenn feststeht, dass eine finanzielle Koordination in wesentlichen Bereichen nicht erfolgt" (Hüffer-AktG (2022), § 18, Rn. 19), d. h. die abhängigen UN in ihrer Finanzpolitik frei sind. Nimmt man den weiten Konzernbegriff (vgl. HdR-E, AktG §§ 15–19, Rn. 118) an, kann die Widerlegung der Vermutung nur durch substanziierte Tatsachenbehauptungen gelingen, indem nachgewiesen wird, dass in sämtlichen wesentlichen UN-politischen Bereichen das abhängige UN selbständig entscheiden und handeln kann. Ein besonderes Verfahren für die Widerlegung der Vermutung ist nicht vorgesehen. Wie dies im Einzelnen aussehen könnte, ist ebenfalls noch nicht hinreichend geklärt (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 18, Rn. 48). Eine Widerlegung dürfte daher nur in Ausnahmefällen gelingen, was mit dem Ziel des weiten Konzernbegriffs – der möglichst weite Anwendungsbereich – durchaus konform geht. Bei dem zugrunde zu legenden "weiten Konzernbegriff wird der Versuch einer Widerlegung der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG in erster Linie bei den einzelnen Indizien anzusetzen haben, die typischerweise auf das Vorliegen einheitlicher Leitung hindeuten. Im Mittelpunkt der Beweisführung wird dabei die personal- und finanzpolitische Selbständigkeit der abhängigen Gesellschaft zu stehen haben. Die Konzernvermutung ist widerlegt, wenn nachgewiesen werden kann, dass die abhängige Gesellschaft tatsächlich frei über ihre Mittel verfügen kann und in der Disposition über ihr Personal frei ist" (Emmerich/Habersack (2020), § 4, Rn. 29).

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