Rn. 110

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Der aktienrechtliche Vertragskonzern ist durch den Abschluss eines BHV (vgl. § 291 AktG) gekennzeichnet. Durch diesen Vertrag unterstellt eine AG, KGaA bzw. SE die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen UN, indem sie sich verpflichtet, den Weisungen des herrschenden UN zu folgen (rechtliche Folgepflicht), wobei allerdings die Ausübung des Weisungsrechts im Konzerninteresse erfolgen muss (vgl. § 308 Abs. 1f. AktG). Dieses umfassende Weisungsrecht beim BHV "bindet, selbst wenn von ihm einmal ausnahmsweise kein Gebrauch gemacht werden sollte, die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft so stark an die der herrschenden, dass die Unternehmen stets als unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst anzusehen sind" (Kropff (1965), S. 33).

 

Rn. 111

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Folgerichtig vermutet § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG unwiderlegbar das Vorliegen eines Unterordnungskonzerns, falls ein BHV i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG besteht; d. h., die einheitliche Leitung wird in einem solchen Fall fingiert. Diese gesetzliche Fiktion ist dabei aber nicht auf den aktienrechtlichen BHV, der voraussetzt, dass das abhängige UN in der Rechtsform einer AG, KGaA bzw. SE geführt wird, zu beschränken; vielmehr ist ein Vertragskonzernverhältnis auch dann anzunehmen, wenn ein UN anderer Rechtsform vertraglich seine Leitung einem anderen UN unterstellt und dieser Vertrag inhaltlich die Anforderungen des § 308 AktG erfüllt (vgl. ADS (1997), § 18 AktG, Rn. 67). In der Vergangenheit wurden BHV und GAV vornehmlich aus steuerlichen Gründen regelmäßig zusammen abgeschlossen. Heute genügt für die Begründung einer körper- und gewerbesteuerlichen Organschaft ein den steuerrechtlichen Vorgaben (vgl. § 14 KStG; § 2 Abs. 2 GewStG) genügender isolierter GAV. Dadurch bedingt sind isolierte GAV in praxi derweil (wieder) häufiger anzutreffen. Ein BHV wird zumeist dann zusätzlich abgeschlossen, sofern auch eine umsatzsteuerliche Organschaft angestrebt wird (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). Ungeachtet dessen können BHV, wenn auch dem Vernehmen nach nur selten vorkommend, isoliert abgeschlossen werden, etwa, um das (anders als bei einer GmbH) ansonsten nicht gegebene Weisungsrecht gegenüber einer AG, KGaA bzw. SE im Konzern zu begründen oder bei einer Vielzahl konzerninterner Vertragsverhältnisse die Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts (vgl. § 312) zu vermeiden. Zwar lässt sich zuletzt genanntes Ziel auch durch einen GAV erreichen (vgl. § 316); ist die Obergesellschaft jedoch ein ausländisches UN, scheidet diese Alternative allerdings mangels steuerlicher Anerkennung regelmäßig aus. Ein BHV kann darüber hinaus auch ein erster Schritt auf dem Weg zum Squeeze-out sein (vgl. Hölters-AktG (2022), § 291, Rn. 3; im Übrigen KonzernR (2019), § 291 AktG, Rn. 5, m. w. N.).

Ein Vertragskonzern entsteht in diesem Zusammenhang nur und ausschließlich dann, sofern ein BHV abgeschlossen wird; ein GAV bzw. auch ein anderer UN-Vertrag i. S. d. § 292 AktG allein begründet ein solches Konzernverhältnis nicht (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 18, Rn. 3; MünchKomm. AktG (2019), § 18, Rn. 6). Derartige Verträge beinhalten nämlich keine mit einem BHV korrespondierende umfassende Weisungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft gegenüber dem TU. Die UN-Verträge des § 292 AktG können im Inhalt, von ihren Voraussetzungen und Folgen sehr unterschiedlich sein. Sie führen nicht stets zur Abhängigkeit. Unabhängig davon ist ihnen jedoch eine wichtige Indizwirkung bei der Beurteilung der Frage, ob ein faktisches Konzernverhältnis vorliegt, beizumessen (vgl. ADS (1997), § 18 AktG, Rn. 69).

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