Rn. 61

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Seit das Bestehen einer steuerlichen Organschaft zwingend vom Abschluss eines GAV abhängig gemacht wird (vgl. § 14 Abs. 1 KStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), ist für eine Anwendung der §§ 311ff. AktG praktisch kein Raum mehr. Inwieweit ein Nachteil i. S. d. § 311 AktG darin zu sehen ist, dass ein Ausgleich für die steuerrechtlich bei dem MU, dem Organträger, als Steuerschuldner anfallende GewSt vorgenommen wird, für die das TU als Organgesellschaft lediglich gemäß § 73 AO haftet, obwohl der Gewinn, auf dem die Steuerbelastung beruht, (teilweise) bei der Organgesellschaft angefallen ist, hat daher allenfalls für Altfälle Bedeutung (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 70, Rn. 86; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 50; Habersack, BB 2007, S. 1397; Hüttemann, ZHR 2007, S. 451 (455)).

Der BGH hat insoweit mit überzeugender Begründung anerkannt, dass zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft in Höhe des jeweiligen Anteils an der Steuerschuld ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB besteht (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1992, IX ZR 244/91, BGHZ 120, S. 50 (54ff.), m. w. N., auch zu abweichenden Auffassungen); BGH, Urteil vom 01.12.2003, II ZR 202/01, DStR 2003, S. 468f.; Müller, in: FS Beisse (1997), S. 363 (368ff.)). Aufgrund dieses gesetzlichen Ausgleichsanspruchs begründet die Zahlung einer entsprechenden Steuerumlage an den Organträger auch keinen Nachteil i. S. d. § 311 AktG. Es kommt insoweit auch nicht auf einen Drittvergleich an, da es an einem Vergleichsmaßstab mangelt (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (84); Wiedemann/Fleischer, JZ 2000, S. 159 (160)).

 

Rn. 62

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Problematisch ist die Berechnung der zulässigen Höhe der Steuerumlage, also des Anteils der Organgesellschaft an der Steuerschuld. Grds. kommen zwei Methoden in Betracht, die (hypothetische) Belastungsmethode und die Verteilungsmethode (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1992, IX ZR 244/91, BGHZ 120, S. 50 (59f.), m. w. N.). Bei ersterer wird die Steuerbelastung der Organgesellschaft berechnet und umgelegt, die ohne die Organschaft entstanden wäre (Stand-alone-Methode), bei der letztgenannten wird die tatsächlich entstandene GewSt auf die verschiedenen Organgesellschaften entsprechend ihrem Gewinnanteil verteilt. Der BGH hat allein die letztgenannte Methode als mit § 311 AktG vereinbar angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (85); ebenso KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 50a; Habersack, BB 2007, S. 1397 (1401ff.); BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 108; z. T. a. A. MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 290ff., wonach für die Zukunft im Hinblick auf eine etwaige künftige Gruppenbesteuerung auf Antrag der Organträgerin auf eine "verursachergerechte" Verteilung abgestellt werden sollte). Dies ist insoweit unmittelbar einleuchtend, als sonst die regelmäßig bestehenden steuerlichen Vorteile der Organschaft allein bei dem Organträger verblieben. Gegenüber dem Einwand, es handle sich hierbei nicht mehr um die Zufügung eines Nachteils, sondern um die Gewährung eines Vorteils, hilft der Verweis auf die gesetzliche Grundlage des Ausgleichsanspruchs, § 426 Abs. 1 BGB. Es kann insoweit nicht mehr verteilt werden als die tatsächlich entstandene Steuerbelastung (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1992, IX ZR 244/91, BGHZ 120, S. 50 (59f.)). Damit kann gesetzlich nur der Anteil an der tatsächlichen GewSt-Belastung gefordert werden. Die Forderung einer höheren Umlage als sie sich nach der Verteilungsmethode errechnet stellt einen Nachteil i. S. d. § 311 AktG dar, wenn kein entsprechender Vorteil an die Organgesellschaft gewährt wird (vgl. zu vertraglichen Regelungen Müller, in: FS Beisse (1997), S. 363 (370ff.)).

 

Rn. 63

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Soweit bei den verschiedenen Gesellschaften positive Ergebnisse erzielt werden, ist bezüglich der Bestimmung des Ausgleichsanspruchs und der Berücksichtigung konzernspezifischer Vorteile die Verteilungsmethode insbesondere aufgrund der Herausrechnung konzerninterner Gewinne ohne Weiteres anwendbar. Noch nicht hinreichend geklärt ist demgegenüber die Berücksichtigung von Verlusten und der mit ihnen einhergehenden (hypothetischen) Verlustvortragsmöglichkeiten bei der Berechnung der Umlage (vgl. hierzu Marx, DB 1996, S. 950 (953); Feddersen, ZGR 2000, S. 532ff.). Ein über die tatsächlich gezahlte Steuerschuld hinausgehender Anspruch lässt sich nach § 426 Abs. 1 BGB nicht begründen, so dass eine Ausgleichszahlung an den Organträger für die Berücksichtigung seiner Verluste bei der Gewinnermittlung grds. nicht geschuldet ist, ihre Leistung somit einen Nachteil darstellen würde (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (85)). Allerdings entspricht es anders als bei einer bloßen Belastung des TU grds. einer wirtschaftlich vernünftigen und damit nicht nachteiligen Regelung, wenn MU und TU vereinbaren, dass für jeweilige Verluste von der anderen Gesellschaft für die erlangten Steuervorteile ein Ausgleich gewährt wird (vgl. ...

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