Rn. 271

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Der Grundsatz der Einzelbewertung grenzt die bei der Schätzung der notwendigen Rückstellungsbeträge zu berücksichtigenden Daten in sachlicher Hinsicht ab. Indem er die gesonderte Bewertung sämtlicher am BilSt bestehenden Verpflichtungstatbestände vorschreibt, stellt er klar, dass der Wertansatz einer Rückstellung nur anhand der individuellen Merkmale der entspr. Verpflichtung zu ermitteln ist (vgl. Fülbier/Kuschel/Selchert, HdR-E, HGB § 252). Diese Verfahrensweise soll einen Wertausgleich zwischen einzelnen Bewertungsobjekten verhindern und die uneingeschränkte Offenlegung der am BilSt bestehenden Vermögensbelastungen gewährleisten.

 

Rn. 272

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Von dieser auf die kleinste zivilrechtl. isolierbare Einheit abstellenden Betrachtungsweise ist abzuweichen, wenn

(1) die individuelle Bewertung der Risiken aus einer Vielzahl gleichartiger Geschäftsvorfälle unmöglich, schwierig oder unzumutbar erscheint und nur eine Sammelbewertung eine zuverlässige Schätzung der Höhe des zu passivierenden künftigen Ausgabenanfalls erlaubt (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 273ff.; BFH-Urt. v. 22.11.1988, BStBl. II 1989, S. 362; Schubert, in: Beck Bil-Komm. 2014, § 253, Rn. 162);
(2) zwischen einzelnen Geschäftsvorfällen eine derart enge wirtschaftliche Verknüpfung besteht, dass deren isolierte Würdigung zu einer offenkundig unzutreffenden Vermögensdarstellung führt (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 278ff.).
 

Rn. 273

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Eine Sammelbewertung setzt eine Mehrzahl gleichartiger und im Hinblick auf den Ausgabenanfall unabhängiger Risiken voraus (vgl. IDW RS HFA 34, Rn. 7; ADS 1995, § 253, Rn. 187). Darüber hinaus muss eine verlässliche Grundlage für die Schätzung der späteren Inanspruchnahme gegeben sein. Das erfordert eine hinreichend große Zahl gleichartiger Verpflichtungen einerseits und betriebliche oder branchenmäßige Erfahrungswerte hinsichtlich der zu erwartenden Inanspruchnahme andererseits.

 

Rn. 274

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Unter diesen Voraussetzungen hat der BFH die Bildung von Pauschalrückstellungen u. a. für drohende Inanspruchnahmen aus Bürgschaftsverpflichtungen sowie aus weitergegebenen, noch nicht eingelösten Wechseln zugelassen (vgl. BFH-Urt. v. 19.01.1967, BStBl. III 1967, S. 336f.). Auch für Garantierückstellungen, mit denen das Risiko künftiger Erlösschmälerungen aufgrund der Verpflichtung zu kostenlosen Nacharbeiten oder zur Ersatzlieferung bzw. aus Minderungs- oder Schadenersatzansprüchen erfasst werden soll, kommt nach der Entscheidung vom 30.06.1983 (BStBl. II 1984, S. 263ff.) eine Sammelbewertung in Betracht, sofern sich aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit, der branchenmäßigen Erfahrung und der individuellen Gestaltung des Betriebs oder nach der Lebenserfahrung in dem betr. Betriebszweig die Wahrscheinlichkeit ergibt, Garantieleistungen erbringen zu müssen.

 

Rn. 275

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Verpflichtungen, die sich bis zur Aufstellung der Bilanz konkretisiert haben (z. B. durch Anzeige eines Schadenfalls), sind durch Einzelrückstellungen zu berücksichtigen. Die Bildung von Pauschalrückstellungen bleibt auf die erfahrungsgem. noch zu erwartende Inanspruchnahme aus den verbleibenden Geschäftsvorfällen beschränkt (vgl. BFH-Urt. v. 30.06.1983, BStBl. II 1984, S. 264f.).

 

Rn. 276

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Den wichtigsten Anhaltspunkt für die Schätzung der Höhe der voraussichtlichen Inanspruchnahme bilden die betrieblichen oder branchenspezifische Erfahrungswerte der Vergangenheit. Von ihnen ist abzuweichen, soweit es die individuellen betrieblichen Verhältnisse oder eine im Zeitablauf veränderte Risikosituation erfordern. Für derartige Abweichungen müssen überzeugende und i. E. nachprüfbare Gründe angegeben werden.

 

Rn. 277

Stand: EL 19 – ET: 05/2014

Nicht abschließend geklärt ist, ob auch für Haftpflicht-Verbindl. Rückstellungen in pauschaler Form gebildet werden dürfen. Die Finanz-Rspr. hat dies verneint. Haftpflichtrisiken träten – im Gegensatz zu Gewährleistungsrisiken – i. A. nur selten und vereinzelt auf. Infolgedessen stünden betriebliche oder branchenspezifische Erfahrungssätze als Grundlage für die Schätzung der Häufigkeit und Höhe der aus ihnen drohenden Inanspruchnahmen regelmäßig nicht zur Verfügung. Daher sollen Haftpflichtrisiken nur insoweit durch (Einzel-)Rückstellungen zu berücksichtigen sein, als bis zum Tag der Bilanzaufstellung Ansprüche bereits geltend gemacht wurden oder zumindest die den Anspruch begründenden Tatsachen i. E. bekannt geworden sind und eine Inanspruchnahme des Kaufmanns ernsthaft zu erwarten ist (vgl. BFH-Urt. v. 30.06.1983, BStBl. II 1984, S. 265; zustimmend Schwarz, J. 1994, S. 194ff.; kritisch Schmidt, E. 1986, S. 293f.). Die Rspr. beruht auf einer auf die Lebenserfahrung gestützten Vermutung. Sie ist widerlegbar. Sieht sich ein UN etwa als Folge gesetzl. verankerter, verschuldensunabhängiger Haftungsbestimmungen (z. B. nach dem Produkthaftungsgesetz, dem Umwelthaftungsgesetz oder dem Gentechnikgesetz) in zuneh...

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