Rn. 26

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die Angabepflicht des § 251 umfasst grds. sämtliche Haftungsverhältnisse, die durch am Abschlussstichtag bestehende vertragliche Vereinbarungen konkretisiert sind. Anzugeben sind auch strittige, künftige und bedingte Haftungsverhältnisse oder Haftungsverhältnisse für bedingte oder strittige Schulden Dritter, wenn eine Inanspruchnahme unabhängig vom Einfluss des Bilanzierenden möglich ist (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 5; Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 19). Dies gilt auch für Verpflichtungen, die vom Eintritt mehrerer Bedingungen abhängen oder sich aus mehrstufigen Vertragskonstruktionen ergeben, z. B. Aufträge an Dritte zur Übernahme von Haftungsverhältnissen mit Rückgriffsrecht des Dritten gegenüber dem (bilanzierenden) Auftraggeber (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 61).

 

Rn. 27

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Sobald und soweit am Abschlussstichtag ein vertraglich konkretisiertes Haftungsrisiko besteht, muss es bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen angegeben werden. Ein Teil der Literatur durchbricht diesen Grundsatz unter Berufung auf das Stichtagsprinzip und die Akzessorietät einzelner Haftungsverhältnisse, indem sie die Angabepflicht bei solchen Haftungsverhältnissen als Sicherheiten für am Abschlussstichtag noch nicht entstandene, aber künftig potenziell entstehende Hauptschulden Dritter (z. B. Höchstbetragsbürgschaften, Garantien für Genussrechtsverpflichtungen (vgl. § 221 Abs. 3 AktG), oder für Verpflichtungen aus Besserungsscheinen (vgl. § 285 Nr. 15a) ablehnt, wenn der Hauptschuldner die noch nicht (endgültig) entstandene Hauptschuld nicht zu passivieren hat (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 13 i. V. m. Rn. 54; HdJ, Abt. III/9 (2000), Rn. 9; Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 19). Darüber hinausgehend wird z. T. ein Haftungsverhältnis erst dann als vermerkpflichtig angesehen, wenn die Hauptschuld (tatsächlich) entstanden ist (vgl. BeckOGK-HGB (2020), § 251, Rn. 28). Eine derartige zivilrechtlich geprägte Betrachtung widerspricht dem Zweck des § 251. Zweck des § 251 ist es, über am Abschlussstichtag bestehende rechtliche Bindungen zu informieren, aus denen künftig eine Belastung resultieren kann, der sich der Bilanzierende nicht entziehen kann. Bei der im Bilanzrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ist die Inanspruchnahme in den genannten strittigen Fällen nicht nur wie bei einer "normalen" Bürgschaft für eine am Stichtag bestehende Schuld eines Dritten an die Bedingung des Ausfalls des Hauptschuldners geknüpft, sondern zusätzlich noch an das Entstehen der Schuld.

 

Rn. 28

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Für die Entscheidung über die Angabepflicht kommt es indes auf die – noch so entfernte – Möglichkeit einer künftigen Inanspruchnahme an. Diese Möglichkeit wird durch das Vorliegen einer weiteren Bedingung nicht beseitigt, da der am Abschlussstichtag bestehende Vertrag künftig unvermeidbar eine Haftung zur Folge haben kann. Lediglich die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme wird hierdurch i. d. R. kleiner. Solange das Entstehen der Schuld nicht völlig ausgeschlossen ist, besteht ein vertraglich konkretisiertes Risiko, über das nach Sinn und Zweck des § 251 berichtet werden soll (vgl. so auch Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 86; Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 590; HdJ, Abt. III/9 (2017), Rn. 87). Dabei ist auch dem Stichtagsprinzip in vollem Umfang Genüge getan, da mit dem Vorliegen eines risikoverursachenden Vertrags am Abschlussstichtag der Tatbestand erfüllt ist, für den § 251 die Vermerkpflicht vorsieht (vgl. Fey (1989), S. 164ff.).

 

Rn. 29

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Haftungsverhältnisse, die – evtl. sogar regelmäßig – kurz vor dem Abschlussstichtag erlöschen und kurze Zeit später mit demselben Vertragspartner in ähnlichem Umfang wieder neu abgeschlossen werden ("window dressing"), erfüllen nur scheinbar nicht die Voraussetzungen für eine Angabepflicht. Im Zweifel ist von einer stillschweigenden Vereinbarung zur Fortführung des jeweiligen Haftungsverhältnisses auszugehen (vgl. ADS (1998), § 251, Rn. 14; HdJ, Abt. III/9 (2000), Rn. 8).

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