Rn. 13

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 315 AktG vor, erstreckt sich die Sonderprüfung auf die geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden oder einem mit ihm verbundenen UN. Die gesetzliche Formulierung bedarf in zweifacher Hinsicht einer Präzisierung. Einerseits beschränkt sich die Nachprüfung nicht etwa auf jene Vorgänge, die im Bericht des Vorstands, der AP oder des AR beanstandet wurden; vielmehr sind sämtliche Sachverhalte zu untersuchen, aus denen sich ein Verstoß gegen § 311 AktG ergeben könnte (vgl. KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 17; Hüffer-AktG (2022), § 315, Rn. 6; KK-AktG (2004), § 315, Rn. 12; MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 27ff.). Die Notwendigkeit einer entsprechend extensiven Interpretation ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. Kropff (1965), S. 417; AktG-GroßKomm. (1975), § 315, Rn. 6). Sie ist im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der außenstehenden Aktionäre zudem sachlich geboten (vgl. ähnlich Noack, WPg 1994, S. 225 (227)). Andererseits erstreckt sich die konzernrechtliche Sonderprüfung nicht notwendigerweise auf den gesamten UN-Verbund. Prüfungsgegenstand sind allein die Beziehungen zu den UN, die vom Gericht näher bestimmt worden sind (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 315, Rn. 6; HB-GesR (2020/IV), § 70, Rn. 127; Noack, WPg 1994, S. 225; a. A. MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 31). Das Gericht kann die Sonderprüfung aber im Einzelfall auf sämtliche Gesellschaften der UN-Gruppe erstrecken (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 315, Rn. 6).

 

Rn. 14

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Für alle weiteren Einzelheiten des Prüfungsumfangs und der Prüfungsdichte bietet die grds. Zielsetzung des § 315 AktG eine zuverlässige Richtschnur. Weil die konzernrechtliche Sonderprüfung in erster Linie den Zweck verfolgt, Schadensersatzansprüche nach den §§ 317f. AktG vorzubereiten (vgl. HdR-E, AktG § 315, Rn. 1), orientiert sich der Prüfungsauftrag am Nachteilsbegriff des § 311 AktG (vgl. KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 17; MünchKomm. AktG (2020), § 315, Rn. 28ff.; KK-AktG (2004), § 315, Rn. 12). Der Sonderprüfer hat sämtliche Rechtsgeschäfte und alle sonstigen Maßnahmen, welche die abhängige Gesellschaft mit dem herrschenden oder einem verbundenen UN vorgenommen hat, zu erfassen und auf ihren nachteiligen Charakter hin zu durchleuchten (vgl. ausführlich Schedlbauer (1984), S. 182ff.; ferner Noack, WPg 1994, S. 225 (229); Graf von Kanitz (2021), Rn. K 234; zum Nachteilsbegriff HdR-E, AktG § 311, Rn. 28ff.). Der Prüfungsumfang des Sonderprüfers geht somit in einem wesentlichen Punkt über denjenigen des AP hinaus: Er hat nicht nur den Abhängigkeitsbericht des Vorstands und die dort aufgeführten Rechtsgeschäfte auf ihre Richtigkeit, Angemessenheit und Kompensation (vgl. § 313 Abs. 1 AktG) zu überprüfen, sondern schlechthin die geschäftlichen Beziehungen der abhängigen Gesellschaft zu den im Gesetz genannten UN (vgl. Noack, WPg 1994, S. 225 (227); Godin/Wilhelmi (1971), § 315 AktG, Rn. 4; Henssler/Strohn (2021), § 315 AktG, Rn. 11). Auf diese Weise wird mittelbar auch die i. R.d. § 313 AktG vernachlässigte Vollständigkeitskontrolle des Abhängigkeitsberichts (vgl. im Einzelnen ADS (1997), § 313 AktG, Rn. 46; Kropff (1965), S. 414) zum Prüfungsbestandteil erhoben (vgl. KonzernR (2022), § 315 AktG, Rn. 17; Schedlbauer (1984), S. 182; Godin/Wilhelmi (1971), § 315 AktG, Rn. 4).

 

Rn. 15

Stand: EL 38 – ET: 01/2023

Ungeklärt ist, ob und ggf. inwieweit die Sonderprüfer von sich aus berechtigt sind, den Prüfungsgegenstand zu erweitern. Relevant wird diese Frage, wenn sie im Rahmen ihrer Ermittlung auf "Zufallsfunde" stoßen, die eine Nachteilszufügung in einer nicht vom Gericht vorgegebenen Richtung nahe legen. Sachgerecht erscheint eine differenzierende Antwort: Einerseits ist es den Sonderprüfern nicht verwehrt, ihren Prüfungsauftrag nach den allg. Interpretationsregeln und dem mutmaßlichen Interesse der Antragsteller auszulegen und dessen Möglichkeiten auszuschöpfen (vgl. ADS (1997), §§ 142–146 AktG, Rn. 40), andererseits muss eine inhaltliche Änderung, v.a. eine Erweiterung des Prüfungsthemas, dem Gericht vorbehalten bleiben: Ein neuer Sonderprüfungsgegenstand verlangt nach dem gesetzlichen Konzept des § 315 AktG einen neuen Sonderprüfungsbeschluss, weil anderenfalls der Grundsatz der Objektbezogenheit ins Leere liefe.

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