Projekt: IFRS top – HGB flop?

In vielen Unternehmen zeigt sich ein wiederkehrendes Phänomen: Ein Projekt, das nach IFRS aktiviert werden kann, erscheint nach HGB als sofortiger Aufwand. Diese Differenz resultiert nicht aus operativen Abweichungen, sondern aus unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften - mit direkten Auswirkungen auf Reporting, Steuerung und Stakeholder-Kommunikation. Wichtig ist daher Transparenz im Reporting und eine Abstimmung zwischen Accounting, Controlling und anderen relevanten Schnittstellen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Unterschiede zwischen IFRS und HGB bei Projektkosten

IFRS (International Financial Reporting Standards, insbesondere IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte“) erlaubt die Aktivierung von Projektkosten, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind:

  • Identifizierbarkeit des Vermögenswertes (IAS 38.8)
  • Wahrscheinlichkeit künftiger wirtschaftlicher Vorteile (IAS 38.21)
  • Zuverlässige Messbarkeit der Kosten (IAS 38.24)

Die Grundannahme hierbei ist, dass wirtschaftlicher Nutzen aus dem Projekt dem Unternehmen zukünftig zufließt. Aus diesem Grund werden die Kosten nicht sofort in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst, sondern aktiviert.

Das HGB (Handelsgesetzbuch, insbesondere §252 Abs. 1 Nr. 4, Vorsichtsprinzip) verfolgt einen vorsichtigeren Ansatz:

  • Projektkosten werden häufig als sofortiger Aufwand erfasst, solange der zukünftige Nutzen noch nicht sicher quantifizierbar ist.
  • Aktivierungen unter HGB sind restriktiver, insbesondere bei Forschung und Entwicklung oder internen Projekten.
  • Das Ziel ist, Risiken frühzeitig abzubilden und das Vorsichtsprinzip zu wahren.
  • Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoBD) verlangen zudem eine nachvollziehbare Dokumentation sämtlicher Buchungen und Bewertungsentscheidungen.

Die Konsequenz ist eine unterschiedliche Darstellung des Unternehmensergebnisses: Während IFRS eine aktivierungsbedingte Ergebnissteigerung ausweist, erscheint das HGB-Ergebnis niedriger, obwohl beide Rechnungslegungen korrekt durchgeführt werden.

Praktische Auswirkungen auf Finance und Controlling

Die divergierende Behandlung von Projektkosten führt in der Praxis zu mehreren Herausforderungen:

1. Zwei Zahlenwelten

  • IFRS-Bilanz zeigt ein höheres Ergebnis, HGB-Bilanz einen niedrigeren Gewinn.
  • Entscheidungsträger erhalten unterschiedliche Signale für operative Maßnahmen, Investitionsentscheidungen und strategische Steuerung.

2. Reporting Komplexität

  • Konsolidierte Reports müssen beide Standards berücksichtigen, was Transparenz, Geschwindigkeit und Nachvollziehbarkeit im Monats- oder Quartalsabschluss beeinflusst.
  • Abweichungen müssen klar ausgewiesen und begründet werden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.

3. Stakeholder-Kommunikation

  • CFOs, Controlling und Projektmanagement müssen erläutern, dass Differenzen aus Rechnungslegungsunterschieden resultieren, nicht aus operativen Leistungseinbußen.
  • Unzureichend dokumentierte Aktivierungsentscheidungen führen zu Nachfragen und Verzögerungen in Management- und Board-Reports.

4. Planungs- und Steuerungswirkung

  • Unterschiedliche Zahlenwelten können Einfluss auf Bonusmodelle, Investitionsentscheidungen oder Covenants haben.
  • Ohne transparente Dokumentation riskieren Unternehmen Fehlentscheidungen oder Verzögerungen bei strategischen Initiativen.

Empfehlung an die Praxis

  • Frühzeitige Abstimmung zwischen Accounting, Controlling, Tax und Projektmanagement, bevor Kosten im Projektverlauf erfasst werden.
  • Dokumentation der Aktivierungsentscheidungen inklusive Rechtsgrundlage (iAS 38, § 252 HGB), Annahmen Kostenarten und Bewertungslogik.
  • Transparente Kommunikation der Auswirkungen auf IFRS- und HGB-Bilanz gegenüber Management und Stakeholdern.
  • Proaktive Reporting-Struktur: Etablierung von Templates oder Tools, die Abweichungen zwischen IFRS und HGB automatisch ausweisen.
  • Regelmäßige Schulungen und Trainings für Finance-Teams, um Verständnis für die Unterschiede und deren operative Relevanz zu sichern.

Fazit: Systematische Steuerung der Differenzen führt zu fundierten Entscheidungen

Die unterschiedlichen Ansätze von IFRS und HGB sind kein theoretisches Problem, sondern eine praktische Herausforderung für Controlling, Reporting und strategische Entscheidungen. Nur wer die Abweichungen früh erkennt, transparent dokumentiert und klar kommuniziert, schafft Vertrauen in die Zahlen und ermöglicht fundierte Entscheidungen auf C-Level. Unternehmen, die diese Differenzen systematisch steuern, vermeiden Überraschungen im Halbjahres- oder Jahresabschluss und sichern die Qualität von Reporting und Steuerung nachhaltig.


Schlagworte zum Thema:  IFRS , Handelsgesetzbuch (HGB)
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