IFRS cash in transit

Die bisher (vorläufige) Agenda Decision zu Cash Received via Electronic Transfer as Settlement for a Financial Asset könnte aufgrund von Bedenken aus der Praxis, bezogen auf die praktische Umsetzung, nicht freigegeben werden.

Das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) hatte erstmalig in seiner September Sitzung im Jahr 2021 eine vorläufige Agenda Decision zum Ansatz von Zahlungsmitteln während des Zahlungstransfers (cash in transit) veröffentlicht (Cash Received via Electronic Transfer as Settlement for a Financial Asset (IFRS 9)). Das Ergebnis der Anfrage ist für die bisherige Bilanzierungspraxis von besonderer Tragweite.

In seiner Juni-Sitzung vom 14. bis zum 15. Juni 2022 legte das IFRS IC eine überarbeitete Formulierung einer finalen Agendaentscheidung vor. Diese (vorläufig) finale Agendaentscheidungen steht bislang noch unter dem Vorbehalt eines ausbleibenden Vetos, somit also einer Freigabe seitens des IASB. Die Entscheidung des IFRS IC ist also noch nicht rechtskräftig, gilt erst als verbindlich, wenn der IASB keine Bedenken geäußert und damit eine Freigabe erteilt hat.

Problemstellung und bisherige Diskussion         

Fraglich war, wann per elektronischer Überweisung angewiesene aber noch nicht eingegangene Geldbeträge bilanziell anzuerkennen sind, wenn das elektronische Überweisungssystem mehr als einen Werktag in Anspruch nimmt. Im konkreten Fall ging es darum, ob Forderungen aus LuL zum Zeitpunkt des Beginns des Geldtransfers (Bilanzstichtag) auszubuchen sind oder erst zum Zeitpunkt der Abwicklung des Geldtransfers (nach dem Bilanzstichtag).

Nach der bisherigen Formulierung sei insbesondere relevant, ob und wann die Rechte an Zahlungsströmen entstehen bzw. auslaufen. Das IFRS IC schlussfolgerte, dass die Forderung erst mit Erhalt der Zahlungsmittel – demnach am Tag der Kontogutschrift – erlischt und auch an diesem Tag der Anspruch auf Zahlungsströme aus den Zahlungsmitteln seitens des Gläubigers gegenüber der Bank entsteht. Da im Sachverhalt weder ein finanzieller Vermögenswert gekauft noch verkauft wird (kein IFRS 9.3.1.2 regular way contract), war nach bisheriger Erkenntnis die bilanzielle Abbildung des Sachverhalts aus IFRS 9 abzuleiten, weshalb die Fragestellung mittels Agenda-Entscheidung (bisher) als angemessen geklärt angesehen wurde.

Update im September Meeting – Bedenken aus der Praxis

Im staff paper zur September Sitzung des IFRS IC werden erhebliche Bedenken aus den Stellungnahmen zur bisherigen Formulierung der Agenda Decision geäußert. In vielen Stellungnahmen wurde darauf hingewiesen, dass die Agenda Decision bei endgültiger Finalisierung zu einer unangemessenen Störung langjähriger Buchführungspraktiken führen würde (disruption to long-standing accounting practices), wie z.B. der Durchführung von Bankabstimmungen und der Verbuchung von Schecks bei Ausstellung oder Erhalt (bevor die Beträge verrechnet werden und dem Zahlungsempfänger zur Verfügung stehen). Ebenso seien unerwartete Konsequenzen zu anderen gleichartigen Sachverhalten denkbar. Obwohl in der vorläufigen Agenda Decision nur ein eingegrenzter Sachverhalt erörtert wurde, gaben viele der Befragten an, dass sich dies auch auf die Bilanzierung anderer Zahlungsarten (z.B. Schecks und Kreditkarten) und/oder Zahlungen, die ein Unternehmen leistet (z.B. zur Begleichung von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) auswirken könnte. Die seitens der Unternehmen vorzunehmenden wesentliche Änderungen an Systemen, Verfahren und internen Kontrollen aber auch ggf. juristische Einschätzungen je Region/Land wären komplex und teuer.

Viele Befragte schlugen daher vor, dass die Agenda Decision nicht finalisiert und die Fragestellung zur Beantwortung im Rahmen des Standardsetting an das IASB weitergeleitet werden sollte. Insbesondere seien weitere Untersuchungen erforderlich, um den Umfang der von der Agenda Decision betroffenen Transaktionen und damit die Auswirkungen auf die Unternehmen insgesamt zu bestimmen.

Next Steps?

Mit Blick auf die nächste IASB-Sitzung vom 20.-22. September 2022 ist es also nicht unwahrscheinlich zu erachten, dass die Fertigstellung der Agenda Decision verschoben werden könnte.

Ein wahrscheinliches Ergebnis der IASB-Sitzung könnte dann sein, dass es eine Änderung von IFRS 9 i.S. eines standard-setting geben wird.

Praxis-Tipp: IFRS IC Agenda Decisions beachten und umsetzen

IFRS IC Agenda Decisions haben verbindlichen Charakter, daher sind diese vom bilanzierenden Unternehmen zu beachten und umzusetzen. Die bisherige Formulierung zu IFRS 9 im aktuellen Fall birgt jedoch erhebliches Potenzial bestehende Bilanzierungsmethoden über Bord zu werfen. Eine Verschiebung und genauere Befassung seitens IASB ist daher dringend anzuraten.

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Schlagworte zum Thema:  IFRS, IASB, Zahlungsverkehr