Bei gewinnerhöhender Auflösung droht Gewinnzuschlag von 6 %
Hintergrund
Das Handelsrecht unterscheidet zwischen offenen und stillen Rücklagen. Offene Rücklagen sind Kapital- oder Gewinnrücklagen. Stille Rücklagen sind die nicht ausgewiesenen stillen Reserven. Rücklagen werden meist aus versteuerten Gewinnen gebildet.
Das Steuerrecht gestattet im Einzelfall auch die Bildung unversteuerter Rücklagen. Bei steuerfreien Rücklagen wird ein vorhandener Buchgewinn steuerneutral auf folgende Wirtschaftsjahre übertragen.
Praxis-Hinweis: Eine Rücklage zu bilden lohnt sich regelmäßig nur bei tatsächlicher Anschaffung des Wirtschaftsgutes
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.7.2021 (BVerfG, Beschluss vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14) zur Verfassungswidrigkeit der Vollverzinsung hat bekanntlich dazu geführt, dass der gesetzliche Zinssatz ab 1.1.2019 von 6 % p.a. auf 1,8 % p.a. abgesenkt wurde. Dies hat Hoffnungen geweckt, dass auch die übrigen gesetzlich festgelegten Zinssätze herabgesetzt werden. Leider hat sich in dieser Hinsicht nichts getan – warum auch immer. Vielleicht sind es die leicht gestiegenen Zinssätze am Kapitalmarkt, vielleicht aber auch die schlechtere Kassenlage des Staates. Allerdings hat jüngst der BFH die Höhe der Aussetzungszinsen nach § 237 AO von 6 % p.a. als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen und das Bundesverfassungsgericht angerufen (BFH, Urteil v. 08.05.2024 VIII R 9/23).
Anders im Fall des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG. Hier ist der BFH (Urteil v. 20.3.2025, VI R 20/23) der Ansicht, dass 6 % angemessen sind und sich die Bedenken an der Verzinsung nach § 233a AO nicht übertragen lassen.
Steuerpflichtige müssen damit bei der Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG aufgrund der Veräußerung insbesondere von Grund und Boden bzw. Gebäuden sich immer bewusst sein, dass damit bei gewinnerhöhender Auflösung der Rücklage der “Zuschlagshammer” von 6 % p.a. droht. Damit muss stets genau kalkuliert werden, ob sich die Rücklagenbildung wirklich lohnt. Eine Bildung ins Blaue hinein, nur um kurzfristig Liquidität zu sparen, ist kaum von Vorteil. Regelmäßig lohnt sich die Rücklagenbildung nur, wenn auch tatsächlich ein neues Wirtschaftsgut angeschafft werden, da dann die im Rahmen der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven auf das neue Wirtschaftsgut übertragen werden können.
Einspruch gegen den Gewinnzuschlag von 6 % hatte keinen Erfolg
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betrieb einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. In ihrem Sonderbetriebsvermögen führte sie eine Rücklage nach § 6b EStG, die aufgrund einer Grundstückveräußerung gebildet worden war. Diese Rücklage löste sie am Ende des Wirtschaftsjahres 2020/21 gewinnerhöhend auf. Mangels Reinvestition erhöhte sich der Gewinn um den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG. Der Zinssatz betrug 6 % p.a. Gegen die Höhe des Gewinnzuschlags wurde Einspruch und anschließend Klage erhoben. Der Gewinnzuschlag wurde als verfassungswidrig angesehen, da dieser in der strukturellen Niedrigzinsphase zu hoch gewesen sei. Die Klage beim zuständigen FG Baden-Württemberg hatte keine Erfolg, so dass sich die Klägerin an den BFH im Wege der Revision wandte.
BFH wies Revision zurück - keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen 6 %
Der BFH wies die Revision allerdings als unbegründet ab. Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass der Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % p.a. festzusetzen war. Die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG ist hierbei zutreffend erfolgt. Mangels Anschaffung eines neuen Wirtschaftsgutes war die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Der Gewinnzuschlag von 6 % p.a. begegnet hierbei keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken. Weder ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu erkennen, noch ist die Höhe von 6 % p.a. verfassungswidrig. Dies gilt auch in einer strukturellen Niedrigzinsphase. Der Gesetzgeber ist bei der Bemessung des Gewinnzuschlags nicht verpflichtet, sich an dem vom Steuerpflichtigen erzielten Stundungsvorteil zu orientieren. Dieser muss auch nicht am Kapitalmarkt ausgerichtet sein. Der wirtschaftslenkende Zweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag ermöglicht es dem Gesetzgeber die Höhe des Gewinnzuschlags frei von diesen Kriterien zu bemessen. Die Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zu verfassungswidrigen Höhe der Zinsen nach § 233a AO geäußert hat, sind auf den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG nicht übertragbar.
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