Leitsatz

1. Art. 20 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Berichtigung der Vorsteuerabzüge bei Investitionsgütern vorzusehen, sofern sich aus seinem Abs. 5 nichts anderes ergibt.

2. Art. 20 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Berichtigung auch auf einen Sachverhalt Anwendung findet, bei dem ein Investitionsgut zunächst einer steuerbefreiten Tätigkeit zugeordnet war, die kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnete, und dann während des Berichtigungszeitraums für die Zwecke einer der MwSt. unterliegenden Tätigkeit verwendet wurde.

3. Art. 13 Teil C Abs. 2 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der seinen Steuerpflichtigen das Recht auf Option für die Besteuerung der Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie einräumt, nach dieser Bestimmung nicht befugt ist, den Abzug der MwSt. für Immobilieninvestitionen, die vor Ausübung des Optionsrechts getätigt worden sind, auszuschließen, wenn der Antrag, mit dem diese Option ausgeübt wird, nicht binnen sechs Monaten ab Ingebrauchnahme dieser Immobilie eingereicht worden ist.

4. Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der seinen Steuerpflichtigen das Recht auf Option für die Besteuerung der Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie einräumt, nach dieser Bestimmung nicht befugt ist, den Abzug der MwSt. für Immobilieninvestitionen, die vor Ausübung dieses Optionsrechts getätigt worden sind, auszuschließen, wenn der Antrag, mit dem diese Option ausgeübt wird, nicht binnen sechs Monaten ab Ingebrauchnahme dieser Immobilie eingereicht worden ist.

 

Normenkette

Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2, Art. 20 der 6. EG-RL (vgl. § 15 und § 15a UStG)

 

Sachverhalt

Uudenkaupungin kaupunki (die Stadt Uusikaupunki) hatte vergeblich die Berichtigung der bei Renovierung einer Immobilie angefallenen VSt beantragt, nachdem sie für die Steuerpflicht der Vermietung optiert hatte. Weil sie erst nach Ablauf der 6-Monats-Frist ab Ingebrauchnahme der Immobilie optiert hatte, ließ das FA keine Berichtigung mehr zu.

 

Entscheidung

Der EuGH entschied, dass die finnische Beschränkung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei nicht richtlinienkonform war. Das bedeutet grundsätzlich, dass diese Auslegung für alle "offenen Fälle" maßgeblich ist. Der Einzelne hat das Recht auf Erstattung von Steuern, die unter Verletzung des Gemeinschaftsrechts erhoben worden sind (Rz. 55). Nur ausnahmsweise kann der Gerichtshof – mit Rücksicht auf den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit – die Wirkungen eines Urteils in zeitlicher Hinsicht beschränken. Eine solche Beschränkung ist nur zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien – guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen – erfüllt sind. Die lagen nicht vor.

 

Hinweis

Die Besprechungsentscheidung betrifft im Wesentlichen die Frage, ob im Licht der 6. EG-RL eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Investitionsgütern zu gewähren ist, wenn eine Immobilie zunächst einer steuerfreien Tätigkeit, später, nach Ausübung der Option zu steuerpflichtiger Vermietung einer steuerpflichtigen Tätigkeit zugeordnet wird.

Anlass ist eine finnische Besonderheit: Die finnische Umsatzsteuerregelung sah – kurz gefasst – vor, dass Vorsteuerbeträge für Baudienstleistungen vor Ausübung der Option zur steuerpflichtigen Vermietung nur abziehbar waren, wenn die Option innerhalb von 6 Monaten seit Beginn der Verwendung ausgeübt worden ist. Bei späterer Option fielen daher die Vorsteuerbeträge "unter den Tisch", eine Berichtigung war nicht möglich. Da das UStG insoweit keine Parallele kennt, im Folgenden nur die wesentlichen Grundsätze:

1. Die Regelung über den Vorsteuerabzug (nur bei Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe) und der Berichtigung bei Investitionsgütern (Art. 20 der 6. EG-RL) zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile oder Nachteile bei Änderungen der ursprünglich bei Bezug von Leistungen maßgebenden Verhältnisse ist wesentlicher Bestandteil des Mehrwertsteuersystems (Art. 20 Abs. 2 der 6. EG-RL, Vorsteuerberichtigung bei Investitionsgütern).

Ausnahmen von der zwingenden (Rz. 26 und 27) Regelung sind nur in den in der 6. EG-RL ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Die Mitgliedstaaten sind zwar nach Art. 20 Abs. 4 der 6. EG-RL zu geringfügigen, genau bezeichneten Randkorrekturen – z.B. die Definition des Begriffs "Investitionsgüter" – zulässig.

Hat ein Mitgliedstaat von einer Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht, kann er sich auf die Möglichkeit nicht berufen.

2. Ein Recht auf Berichtigung kann – sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen – nur auf Art. 20 der 6. EG-RL gestützt werden. Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL (Entnahmetatbestände: vgl. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG) sind nur bei einer Neuzuordnung des betreffenden Gegenstands zu privaten Zwecken, nicht jedoch im Fall seiner Neuzuordnung zu einer steuerbefreiten Tätigkeit anwendbar.

3. Die Verwendung des Investitionsguts bestimmt nur...

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