In Abb. 3 sind noch zwei weitere Entscheidungskategorien dargestellt – "Entscheidung im Team oder alleine?" sowie "zentral oder dezentral?". Hierbei handelt es sich um organisatorische Fragestellungen. Wie schon mehrmals erwähnt, ist vielfach in Unternehmen die Entscheidungsbefugnis unklar. Durch diese beiden Kategorien wird man zur Festlegung der Entscheidungsverantwortung gezwungen. Damit soll verhindert werden, dass Entscheidungen

  • nicht getroffen werden, weil sich niemand zuständig fühlt oder
  • im Alleingang getroffen werden, wo die Einbindung von weiteren Personen sinnvoll oder nötig wäre.

Es soll aber auch erreicht werden, dass bewusst darüber nachgedacht wird, wo das Top-Management entlastet und für ein rasches Handeln und Stärken der Eigeninitiative die Entscheidungsverantwortung dezentralisiert werden kann. Auch sollte bewusst überlegt werden, welche Personen mit welchem Fachwissen unbedingt eingebunden sein sollten, um das notwendige Know-how für die Entscheidungsfindung bei den Entscheidern zu haben. Die Einbindung eines größeren Kreises (Entscheidungs-Boards) kann ein breiteres Commitment erreichen, kann allerdings auch zu Verzögerungen bei der Entscheidungsfindung führen.

5.1 Entscheidungs- und Führungskultur hinterfragen

Beginnt man im Unternehmen die Entscheidungen diesen Kategorien zuzuordnen, kommt man kaum umhin, die Entscheidungs- und somit die Führungskultur im Unternehmen zu hinterfragen.

  • Wie wurde bisher hauptsächlich entschieden?

    • Viel zentral an der Spitze des Unternehmens, wurde also bisher klassisch hierarchisch geführt?
    • Oder hat bisher jeder das gemacht, was jeweils für richtig empfunden wurde – gab es also bisher wenig Führung?
  • Wie sollten im Unternehmen die Entscheidungsverantwortlichkeiten verteilt sein?
  • Was bringt für das Unternehmen die besten Entscheidungen mit den besten Erfolgen?
  • Welche Verteilung von Verantwortlichkeiten ergeben sich aus den Markterfordernissen?
  • Welche Art des Entscheidens und Führens passt zu den Führungskräften und Mitarbeitern des Unternehmens?

Dezentralisierung von Verantwortung heißt, dass man auch loslassen können und vertrauen muss. Verantwortung zu übernehmen erfordert, dass man dieser auch gewachsen sein muss, befähigt dazu sein muss, tatsächlich eigeninitiativ sein muss. Mit einer Kategorisierung und einer Neuverteilung der Verantwortlichkeiten ist es natürlich lange nicht getan. Das Thema erfordert eine sensible Vorgehensweise und einen sehr bewusst gestalteten Veränderungsprozess.[1]

[1] Für Interessierte an dieser Thematik: In Kottbauer/Müller-Pellet, "Unternehmenssteuerung und Entscheidungsfindung durch COLLABORATIVE STEERING", 2020, wird diese Thematik ausführlicher behandelt.

5.2 Entscheidungsarten in Kategorien einteilen

In Abb. 4 ist eine Liste an Entscheidungsarten mit einer beispielhaften Zuordnung in die Kategorien dargestellt. Diese Liste ist dabei nur ein kleiner Ausschnitt aller im Unternehmen zu treffenden Entscheidungen.

Abb. 4: Entscheidungsliste mit einer Aufzählung von Entscheidungstypen und möglicher Einordnung in die jeweiligen Kategorien

Greifen wir ein Beispiel heraus: betrachten wir die Entscheidung "3.1 Bedienung eines neuen Landes" in der Liste in Abb. 4 etwas näher. Eine Entscheidung darüber in welchem zusätzlichen Land die Produkte verkauft werden sollen, ist für die meisten Unternehmen eine strategische Entscheidung (Markterweiterung). Die Ressourcen sind in der Regel beschränkt und somit sollte gut überlegt werden, für welches Land die Zeit der relevanten Mitarbeiter und die nötigen finanziellen Mittel aufgewendet werden. Die Vorgehensweise sollte eine standardisierte sein. Ein hilfreiches Instrument für die systematische Auswahl ist die McKinsey Matrix, die nach Attraktivität und Wettbewerbsstärke im Priorisierungsprozess behilflich sein kann.[1]

Danach könnten als Entscheidungsgrundlage für die infrage kommenden Länder z. B. die Marktgröße, das Marktwachstum, die Preissensibilität, das Risiko und die Wettbewerbsstärke erhoben und nach vorgegebener Gewichtung in der Kennzahl Marktpotenzial zusammengeführt werden. Das Land mit dem höchsten Marktpotenzial wird ausgewählt und als nächstes bedient.

Durch den einmal beschlossenen Standard kann erreicht werden, dass sich alle – auch Geschäftsführer und Eigentümer – an diese Vorgehensweise halten. In der Praxis haben wir es schon oft erlebt, dass in den Unternehmen jene Länder bedient wurden, wo sich durch Zufall eine Gelegenheit ergeben hat ("Herr Vertriebsleiter, ich habe auf der Messe eine interessante Bekanntschaft gemacht, wir sollten unbedingt zukünftig auch Zypern beliefern.")

Die Frage ist noch ungeklärt, wer an der Entscheidung beteiligt sein soll – nur der Vertriebsleiter, gemeinsam im 4-Augengespräch mit dem CEO oder in einem Board mit mehreren beteiligten Entscheidern? Solch eine Marktentscheidung könnte zum Beispiel in einem obersten Management Board (Board 1) getroffen werden, dem neben den Geschäftsführern auch die Leiter von Vertrieb, Marketing, vielleicht auch der Produktion, der Entwicklung und weitere Führungskräfte dieser Führungsebene angehören. Die Frage ste...

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