Mit dem Tod einer Person erlischt deren Einkommensteuerpflicht. Der letztmalig durchzuführenden Veranlagung wird das vom Jahresbeginn bis zum Tod des Steuerpflichtigen bezogene Einkommen zugrunde gelegt (abgekürzter Erhebungszeitraum). Der Erbe kann einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustausgleich oder -abzug grundsätzlich nicht bei seiner eigenen Veranlagung geltend machen[1], wenn der Erbe den Verlust wirtschaftlich nicht selbst getragen hat. Den Verlust zu tragen bzw. durch ihn wirtschaftlich belastet zu sein, bedeutet nicht, dass es allein darauf ankommt, ob der Erbe rechtlich für Schulden des Erblassers in Anspruch genommen werden kann. Es besagt vielmehr, dass der Erbe aufgrund der Verluste des Erblassers wirtschaftlich in seiner Einkommens- oder Vermögenssphäre belastet ist. Eine solche wirtschaftliche Belastung liegt nicht vor, wenn dem Erben aufgrund eines Verlusts des Erblassers lediglich ein geringeres Vermögen zufällt.[2]

Haftet der Erbe zwar kraft Gesetzes für Verbindlichkeiten, die mit den Verlusten des Erblassers in Zusammenhang stehen, ist aber auszuschließen, dass er sie tatsächlich begleichen muss, so ist er durch die Verluste wirtschaftlich nicht belastet. Für diese Beurteilung ist maßgebend, dass nur der Erblasser den Tatbestand der Erzielung von Einkünften in Form von Verlusten erfüllt. Die Berücksichtigung eines von ihm nicht ausgeschöpften Verlustabzugs beim Erben würde die das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsätze der Individualbesteuerung und der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit durchbrechen.[3]

Ein Verlustausgleich mit positiven Einkünften des Erben im Todesjahr des Erblassers ist – abgesehen von zusammenveranlagten Ehegatten und Lebenspartnern[4] – grundsätzlich nicht möglich. Dies gilt gleichermaßen für Verluste nach § 2a Abs. 1 EStG (negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten), § 20 Abs. 6 EStG (Verluste aus Kapitalvermögen) und § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG (bestimmte Einkünfte aus Leistungen).[5] Auch gilt dies für Verluste nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 7, 8 EStG (Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften), es sei denn, dass der Erbfall bereits vor der verlustbehafteten Veräußerung eingetreten ist.[6] Für Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 Satz 1, 2 EStG gilt die Besonderheit, dass der zum Todeszeitpunkt nicht ausgeglichene Verlust in den Fällen, in denen der Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf den Erben übertragen[7] wurde, auf ihn mit übergeht.[8] Verluste nach §§ 15a, 15b EStG sind übertragbar.[9]

In seltenen und extrem gelagerten Konstellationen ist aus sachlichen und/oder persönlichen Billigkeitsgründen eine auf den entsprechenden Einzelfall bezogene abweichende Steuerfestsetzung[10] oder ein Steuererlass[11] möglich, z. B. wenn sich im Einzelfall herausstellt, dass ein beim Erben angefallener steuerpflichtiger Gewinn unmittelbar mit einem vom Erblasser erlittenen und bei ihm nicht mehr ausgeglichenen Verlust korrespondiert. Auf diese Weise ist es insbesondere möglich, eine Begünstigung des Erben auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen dieser durch die beim Erblasser "verlorenen" Verluste selbst in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist.[12]

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