4.1 Sachverhalt

S. Auris betreibt in Hamburg einen Versandhandel für Tierbedarfsartikel. Angeregt durch einen Fachartikel in einer Tierzeitschrift, dass Halter von Hunden gerne auch Leckereien mit ihren Lieblingen teilen, möchte sie ihren Kunden getrocknete Schweineohren anbieten, die auch zum menschlichen Verzehr geeignet sind.

Auris schließt mit einem dänischen Fleischerzeuger (F) einen Vertrag über die Lieferung frischer Schweineohren, die dieser zu einem Trocknungsbetrieb (T) in Dänemark transportiert. T trocknet im Auftrag von Auris die Schweineohren und verpackt sie für den Endverkauf. Anschließend holt Auris die Waren selbst in dem Trocknungsbetrieb in Dänemark ab und transportiert sie nach Hamburg, wo die Waren von ihr verkauft werden sollen.

4.2 Fragestellung

S. Auris, die mit ihrer zutreffenden deutschen USt-IdNr. aufgetreten ist, möchte wissen,

  1. welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich aus der Rechnung des dänischen Fleischerzeugers (F) ergeben,
  2. welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich aus der Rechnung des dänischen Trocknungsbetriebs (T) ergeben und
  3. wie der Verkauf der getrockneten Schweineohren in Deutschland umsatzsteuerrechtlich zu behandeln ist.

4.3 Lösung

S. Auris ist Unternehmerin, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung gehört die Lieferung der Schweineohren und der Tierbedarfsartikel.

Insgesamt liegen 3 Vorgänge vor, die im Inland umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen sind.

Einkauf der frischen Schweineohren

Auris erwirbt von dem dänischen Unternehmer die Schweineohren, die nach der in ihrem Namen erfolgten Verarbeitung nach Deutschland gelangen. Die Unternehmerin realisiert damit im Inland einen innergemeinschaftlichen Erwerb, da die Gegenstände von Dänemark nach Deutschland gelangen[1], sie die Gegenstände als Unternehmerin für ihr Unternehmen erwirbt[2] und der Verkäufer ein Unternehmer ist, der nach dänischem Recht offensichtlich auch nicht Kleinunternehmer ist.[3] Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist in Deutschland, da sich der Gegenstand der Lieferung (nach der Verarbeitung) am Ende der Warenbewegung im Inland befindet.[4] Auris realisiert einen im Inland steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb.[5]

 
Hinweis

Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung für den Verkäufer

Der Verkäufer führt gegenüber Auris eine in Dänemark steuerbare Lieferung aus[6], die aber als innergemeinschaftliche Lieferung[7] in Dänemark steuerfrei ist. Unschädlich ist, dass der Gegenstand der Lieferung noch verarbeitet wird[8], da die Verarbeitung im Namen der Leistungsempfängerin durchgeführt wird.[9]

Der innergemeinschaftliche Erwerb unterliegt keiner Steuerbefreiung nach § 4b UStG und ist somit steuerpflichtig. Bemessungsgrundlage[10] ist alles, was Auris für die Lieferung der Schweineohren aufwendet, die Umsatzsteuer ist auf diesen Betrag heraufzurechnen.

Der Erwerb der frischen Schweineohren unterliegt dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 2 der Anlage 2 zum UStG (Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse[11]), da die Schweineohren offensichtlich zum menschlichen Verzehr geeignet sind.

 
Hinweis

Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben

Die von Auris als Leistungsempfängerin geschuldete Erwerbsteuer[12] kann von ihr als Vorsteuer abgezogen werden[13], da sie mit den erworbenen Produkten keine vorsteuerabzugsschädlichen Ausgangsumsätze[14] ausführen will.

Trocknung und Verpackung

Das Trocknen und Verpacken der Schweineohren stellt eine sonstige Leistung[15] dar, da keine Verfügungsmacht an Gegenständen verschafft wird. Das zur Verfügung gestellte Verpackungsmaterial stellt eine Nebensache dar. Die sonstige Leistung wird von dem dänischen Unternehmer nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in Hamburg ausgeführt, da die Leistungsempfängerin die Leistung für ihr Unternehmen bezieht. Die Leistung des dänischen Unternehmers ist im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und in Ermangelung einer Steuerbefreiung nach § 4 UStG auch steuerpflichtig.

 
Praxis-Tipp

Angabe in der Zusammenfassenden Meldung

Der leistende dänische Unternehmer muss den Umsatz in seiner dänischen Zusammenfassenden Meldung[16] unter der USt-IdNr. der deutschen Leistungsempfängerin anmelden.

Da der leistende Unternehmer ein ausländischer Unternehmer[17] ist und Auris die Leistung als Unternehmerin bezieht, wird sie zur Steuerschuldnerin[18] für die ihr gegenüber ausgeführte Leistung (Reverse-Charge-Verfahren). Bemessungsgrundlage ist alles, was sie für die ihr gegenüber ausgeführte Leistung aufwendet, die Umsatzsteuer ist auf diesen Betrag heraufzurechnen. Die Leistung des dänischen Unternehmers unterliegt keiner Steuersatzermäßigung, sodass der Regelsteuersatz[19] von 19 % anzuwenden ist. Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13b Abs. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist.

 
Hinweis

Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben

Die von Auris als Leistungsempfängerin geschuldete Umsatzsteuer kann von ihr als Vorsteuer abgezogen werden[20], da sie mit den...

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