Leitsatz

1. Einkünfte bei einem Termingeschäft i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG liegen bei dem Erwerb einer Option auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Option bei Fälligkeit verfallen lässt (entgegen BMF-Schreiben vom 9.10. 2012, BStBl I 2012, 953, Rz. 27 und vom 27.3.2013, BStBl I 2013, 403).

2. Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5, Abs. 9 EStG n.F., § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 5 EStG a.F.

 

Sachverhalt

1. Die Kläger (Eheleute) erwarben im Streitjahr (2010) Call-Optionen für Aktien. Die Optionen liefen "aus dem Geld", sodass die Kläger sie bei Fälligkeit verfallen ließen. Das FA versagte die Berücksichtigung des von den Klägern erklärten negativen "Gewinns" aus den Optionen. Die Klage hatte insoweit Erfolg (FG Thüringen, Urteil vom 9.10.2013, 3 K 1059/11, Haufe-Index 7044031, EFG 2014, 1305). Dagegen richtete sich die Revision des FA.

2. Die Kläger nahmen seit 2009 ein Bankdarlehen in Anspruch und verwendeten die Valuta zum Ankauf von Wertpapieren. Im Streitjahr entrichteten sie dafür Zinsen, die sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machten. Einspruch und die oben bezeichnete Klage vor dem FG Thüringen hatten insofern keinen Erfolg. Dagegen hatten die Kläger Revision eingelegt.

 

Entscheidung

Der BFH hat beide Revisionen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Auch unter der Abgeltungsteuer (d.h. für nach dem 31.12.2008 erworbene Optionen) gilt, dass die Anschaffungskosten steuerlich geltend gemacht werden können, wenn der Inhaber die Option verfallen lässt. Das ist die Quintessenz der Entscheidung, die wohl mit Spannung erwartet worden ist. Zum Verständnis der Entscheidung und ihrer Bedeutung lohnt ein kurzer Blick zurück:

1. Vorgeschichte: Bis 2012 entsprach es der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung, dass die an den Stillhalter für den Erwerb der Option gezahlte Prämie beim Erwerber steuerlich nicht berücksichtigt wurde, wenn er die Option verfallen ließ.

a) Dafür sprach der Wortlaut der Vorschrift (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F.), weil der Steuerpflichtige bei diesem Ausgang des Geschäfts durch das Termingeschäft einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil nicht erlangt hatte, sondern leer ausging.

b) Ergänzend unterschied die Rechtsprechung zwischen dem Eröffnungs- und dem Basisgeschäft.Das Eröffnungsgeschäft (Erwerb der Option vom Stillhalter und Zahlung der in jedem Fall verfallenen Prämie an den Stillhalter) rechnete sie dem grundsätzlich nicht steuerbaren Vermögensbereich zu. Der Verlust der Stillhalterprämie beim Erwerber der Option blieb deshalb unberücksichtigt, wenn das Basisgeschäft nicht zustande kam. Ganz konsequent war die Trennung allerdings nie, denn wenn es zur Durchführung des Basisgeschäfts oder zum Differenzausgleich kam, erhöhte die gezahlte Stillhalterprämie die abziehbaren Erwerbsaufwendungen.

c) Von dieser Linie ist der BFH mit einer viel beachteten Entscheidung aus dem Jahr 2012 (BFH, Urteil vom 26.9.2012, IX R 50/09,BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231 mit Anm. Heuermann, BFH/PR 2013, 12) unerwartet abgewichen und hat die gezahlte Stillhalterprämie zum Abzug zugelassen, wenn die Option verfallen war. Die Entscheidung, mit der der BFH seine Rechtsprechung geändert hatte, galt allerdings nur für Altfälle (Erwerb der Option vor dem 1. 1.2009). Sie ist zum auslaufenden Recht ergangen und vielleicht deshalb im BStBl veröffentlicht worden. Der tragende Gedanke der Begründung dürfte die im Urteil zumindest anklingende Überlegung gewesen sein, dass es dem Gesetzgeber nicht freistehe, bei ein und demselben Anlageprodukt den Gewinnfall zu besteuern, den Verlustfall dagegen unberücksichtigt zu lassen (vgl. Zitat dieser Entscheidung in Rz. 18 a.E. der Besprechungsentscheidung). Diese eher rechtspolitische Überlegung hat der BFH dort allerdings durch Auslegung der damals geltenden Vorschriften abgesichert.

2. Offen blieb, ob diese neue "Linie" des BFH von 2012 auch auf die Neuregelung übertragbar sein würde oder ob der Gesetzgeber des UntStRefG von 2007 die alte Rechtslage in § 20 Abs. 2 EStG fortgeschrieben hatte.

a) Dieses Rätsel ist nun gelüftet: Der BFH hat im Ergebnis seine Rechtsprechung von 2012 fortgesetzt. Das war vielleicht nicht ganz fernliegend, hat doch derselbe Senat entschieden, der 2012 die Wende eingeleitet hatte.

b) Zwar liegt die Zuständigkeit für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, zu denen seit Einführung der Abgeltungsteuer auch die Veräußerungstatbestände bei Wertpapieren und Termingeschäften gehören, beim VIII. Senat des BFH. Durch die Änderung des Gesetzes ist auch die Zuständigkeit innerhalb des BFH vom IX. auf den VIII. Senat übergegangen. Im Zuge von Entlastungsmaßnahmen zugunsten des VIII. Senats sind die betreffenden Fälle jedoch vom Präsidium des BFH auf den IX. Senat zurückübertragen worden.

3. Die Praxis mag mehr am Ergebnis a...

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