Rz. 541

Die Frage, ob auf das Legen von Wasserleitungen (Hauswasseranschlüsse) und damit zusammenhängende Leistungen der allgemeine oder der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, ist von der Rechtsprechung und der Verwaltung in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt worden. Mehrfach musste die Verwaltung ihre Auffassung an die EuGH- und BFH-Rechtsprechung anpassen. Zunächst sah die Verwaltung entgegen ihrer bisherigen Auffassung Zahlungen an ein Wasserversorgungsunternehmen für das Legen von Wasserleitungen (Lieferleitungen) einschließlich der Hauswasseranschlüsse (sog. Wasseranschlussbeiträge, Baukostenzuschüsse oder Hausanschlusskosten) als Entgelt für die umsatzsteuerpflichtige Leistung "Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz". Derartige Leistungen waren nach der geänderten Verwaltungsauffassung als selbstständige Hauptleistungen anzusehen, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen.[1] Nach Auffassung der Verwaltung waren danach als Entgelt für selbstständige – nicht begünstigte – Hauptleistungen auch Beiträge für Ortsnetzerweiterungen, Reparaturen von Hauswasseranschlüssen, Reparaturen im Ortsnetz und Spülarbeiten des Kanals im Ortsnetz anzusehen. Das Spülen der Wasserleitung bei der Erstellung eines Hausanschlusses stelle eine Nebenleistung zur Erstellung des Hausanschlusses selbst dar. Es handele sich insoweit um keine ermäßigt zu besteuernde selbstständige Wasserlieferung.[2]

 

Rz. 542

Das Sächsische Finanzgericht kam – entgegen der Verwaltungsauffassung – zu dem Ergebnis, dass die vom Wasserversorgungsunternehmen gegenüber dem Endabnehmer erbrachte Leistung "Errichtung von Lieferleitungen einschließlich der Hausanschlussleitung" eine unselbstständige Nebenleistung zur Wasserlieferung sei, die dem ermäßigten Steuersatz unterliege.[3] Im Revisionsverfahren richtete der BFH[4] zunächst ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Hierzu hat der EuGH entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz für die Herstellung des Hausanschlusses zu gelten hat, denn der Anschluss sei für die "Wasserbereitstellung unentbehrlich", mithin eine Nebenleistung zur Wasserlieferung, auch wenn die Kosten der Herstellung des Anschlusses gesondert abgerechnet werden. Zudem können die EU-Mitgliedstaaten konkrete und spezifische Aspekte der "Lieferungen von Wasser" – wie das im Ausgangsverfahren fragliche Legen eines Hausanschlusses – mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt, sie beachten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt.[5]

 

Rz. 543

Entsprechend der Rechtsprechung des EuGH hat der BFH entschieden, dass die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i. S. d. Nr. 34 der Anlage 2 des UStG fällt und als eigene Leistung mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher oder einen Dritten (z. B. einen Bauunternehmer oder Bauträger) erbracht wird.[6] Zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung hatte das BMF Stellung genommen.[7] Nach dieser inzwischen durch das BMF-Schreiben v. 4.2.2021[8] abgelösten Verwaltungsregelung (Rz. 543a) waren diese Rechtsprechungsgrundsätze auf das Legen des Hausanschlusses durch das Wasserversorgungsunternehmen beschränkt. Das bedeutete, dass für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die Hauswasseranschlussleistung und die Wasserbereitstellung durch ein und denselben Unternehmer erfolgen müsse. Eine Personenidentität auf der Empfängerseite sei für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht notwendig. Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i. S. d. vorbezeichneten Rechtsprechung sei allein entscheidend, ob die Zahlung ein Entgelt für die Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz durch den Wasserversorgungsunternehmer ist. Die Bezeichnung durch die Vertragsparteien bzw. die den Bescheid erlassende Behörde sei dabei unerheblich. Reparatur-, Wartungs- und ähnliche Leistungen an den Hausanschlüssen durch den Wasserversorger unterlägen ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz. Dies gelte auch dann, wenn diese Unterhaltungskosten gesondert in Rechnung gestellt werden, da diese nicht als selbstständige Hauptleistung beurteilt werden. Als Übergangsregelung beanstandet es die Verwaltung – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht, wenn sich der leistende Unternehmer (Wasserversorger) für vor dem 1.7.2009 ausgeführte Leistungen auf die bisherigen entgegenstehenden Regelungen im BMF v. 5.8.2004[9] beruft.

Der BGH hat in einem Zivilrechtsstreit sowohl der BFH-Rechtsprechung als auch der Verwaltungsauffassung teilweise widersprochen. Er hat entschieden, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes setze nicht voraus, dass die Lieferung von Wasser und das Legen des Hausanschlusses von de...

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