Nichtanwendung der BFH-Entscheidung vom 10.02.2009 (AZ: VII R 16/08, BFH/NV 2009, 979) durch die Finanzverwaltung

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Lieferung getrockneter Schweineohren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Lieferungen unverdorbener getrockneter Schweineohren unterliegen als genießbare Schlachtnebenerzeugnisse dem ermäßigten Steuersatz

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Lieferung von getrockneten Schweineohren gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG- mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu erfassen ist. Danach sind gemäß der zu dieser Vorschrift ergangenen Anlage und der dort im Einzelnen benannten Kapitel, Positionen und Unterpositionen des Zolltarifs Lieferungen von Fleisch und genießbaren Schlachtnebenerzeugnissen gemäß laufender Nr. 2 (Kapitel 2) der Anlage und Lieferungen von zubereitetem Futter gemäß laufender Nr. 37 (Kapitel 23) der Anlage dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, während getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnisse), die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind (Kapitel 5, Position 0511), nicht in der Anlage erfasst sind und somit dem Regelsteuersatz unterliegen.

Die Klägerin verkauft selbst hergestellte und zugekaufte Tierfuttermittel. Die hier streitigen getrockneten Schweineohren stellt die Klägerin selbst her. Hierzu werden die Schweineohren von ihr mit Fahrzeugen, die über eine Kühlvorrichtung verfügen, bei den Schlachthöfen abgeholt und zum Firmensitz transportiert. Dort werden die Schweineohren zunächst in einem Kühlhaus gelagert und dann später verarbeitet. Hierzu werden die Schweineohren ohne Zusatzstoffe im Räucherofen bis 90˚ durch Wasserentzug getrocknet. Die getrockneten Schweineohren werden dann verpackt und von ihr als Ergänzungsfuttermittel für Hunde angeboten und an Discounter verkauft. Als Ergänzungsfuttermittel dienen die getrockneten Schweineohren den Hunden als Kauspielzeug mit dem Ziel, bei diesen für gesunde Zähne und Zahnfleisch zu sorgen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Klägerin verwendeten frischen bzw. gefrorenen Schweineohren genießbar sind und dass für eine Ungenießbarkeit der gelieferten getrockneten Schweineohren nur der Trocknungsvorgang als tatsächliche Ursache in Frage kommt. Über die zolltarifliche Einreihung der getrockneten Schweineohren liegen unverbindliche Zolltarifauskünfte vor, wonach diese unter die Position 0511 der Kombinierten Nomenklatur (KN) des Zolltarifes fallen und somit nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dort werden die Schweineohren als ungenießbares Teil eines nicht lebenden Tieres des Kapitels 01 (knochenhart getrocknetes Schweineohr vom Hausschwein ohne Marke und ohne Gehörgang) beschrieben. Die Ware sei in geruchsundurchlässiger durchscheinender Folientüte eingeschweißt und zur Verwendung als Hundefutter vorgesehen und gekennzeichnet. Sie enthalte keine künstlichen Konservierungsstoffe, Aromastoffe, Farbstoffe oder sonstige chemische Zusätze. Die getrockneten Schweineohren würden unappetitlich streng und leicht nach Verwesung riechen (vgl. Zolltarifauskunft vom 04.12.2000, Bl. 18 der Sonderakte; vom 23.10.2002, Bl. 29 der Sonderakte; vom 03.08.2005, Bl. 52 der Sonderakte - hier heißt es in der Auskunft, dass für die Einreihung maßgeblich sei, dass die Erzeugnisse nach der veterinärrechtlichen Beurteilung als ungenießbar angesprochen würden). Gemäß einem Prüfbericht des Lebensmittelinstitutes KIN vom 17.04.2007 (vgl. Bl. 84 f. der Sonderakte) sind die getrockneten Schweineohren nicht als Lebensmittel entsprechend Art. 2 der Verordnung (EG) 178/2002 (Lebensmittelrahmen-Verordnung) einzustufen. Danach seien Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeiteten, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen würden. Getrocknete Schweineohren würden daher nicht in die Kategorie Lebensmittel gehören, weil nach vernünftigem Ermessen kein Mensch Knorpel essen würde und sie außerdem nur Bindegewebe enthielten, die zur menschlichen Ernährung nicht geeignet seien. Es handele sich eindeutig um ein Kauspielzeug für Hunde.

Der Umsatz aus dem Verkauf getrockneter Schweineohren im Februar 2011 betrug ... €. In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für Februar 2011 erklärte die Klägerin diese Umsätze zum ermäßigten Steuersatz von 7%. Hiervon abweichend legte das Finanzamt mit Bescheid vom 22.03.2011 für diese Umsätze den Steuersatz von 19% zugrunde und setzte die Umsatzsteuer auf ... € fest. Hiergegen erhob die Klägerin fristgerecht am 28.03.2011 Sprungklage, der das Finanzamt mit eingegangenem Schriftsatz am 19.04.2011 zustimmte.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 10.02.2009 (Az. VII R 16/08, BFH/NV 2009, 979 f) unterliege die Lieferung der getrockneten Schweineohren entweder gemäß § 12 Abs. ...

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