Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. Insolvenzverwalter. Positives Interesse. Negatives Interesse. Gleichwohlgewährung. Arbeitslosengeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei Lohnausfall gegen den Insolvenzverwalter gemäß § 61 InsO ist nicht auf das positive Interesse gerichtet. Er ist vielmehr auf das negative Interesse gerichtet und auf die Höhe des Arbeitslosengeldes begrenzt, welches der Arbeitnehmer bei „Gleichwohlgewährung” nach § 143 Abs 3 SGB III erhalten hätte.

 

Normenkette

InsO § 61; SGB III § 143 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 8 Ca 5600/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.2006; Aktenzeichen 6 AZR 139/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 18.02.2004 – 8 Ca 5600/03 – wird auf Kosten der Klägerin

zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beklagte aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz zu leisten.

Die Klägerin war längere Zeit als Arbeitnehmerin bei der Firma … GmbH in … beschäftigt. Über deren Vermögen ordnete das Amtsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 23.07.1999 – 116 IN 1313/99 – zur Sicherung des Vermögens die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter (Bl. 49 bis 50 d. A.). Am 03.08.1999 übergab der Beklagte dem vorläufigen Gläubigerausschuss in dessen erster Sitzung eine Kopie seines Gutachtens an das Insolvenzgericht vom 30.07.1999 (Protokoll der 1. Gläubigerausschusssitzung siehe Bl. 53 bis 56 d. A.). Auf eigenen Antrag der Gemeinschuldnerin sowie auf Antrag der … Sachsen eröffnete das Amtsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 01.08.1999 (Bl. 51 bis 52 d. A.) hierauf das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Zu diesem Zeitpunkt bestanden seit Mai 1999 Lohnrückstände.

Am 03.08.1999 beschloss der Gläubigerausschuss die Fortführung des Geschäftsbetriebs auf Rechnung der Masse und die Reduzierung des Personals durch Entlassung von 13 Mitarbeitern (siehe Protokoll Bl. 59 bis 61 d. A.). In der Sitzung des Insolvenzgerichts Chemnitz beschloss die Gläubigerversammlung am 03.09.1999 die Fortführung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin auf sechs Monate. Ferner heißt es in diesem Beschluss: „Bei auftretenden Schwierigkeiten kann der Insolvenzverwalter in Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss Entscheidungen kurzfristig vornehmen.” (siehe Bl. 65 d. A.). In einem Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vom 27.08.1999 war zuvor über die Kündigung von 13 Arbeitnehmern bis 31.08.1999 mit sofortiger Freistellung Einvernehmen erzielt worden; entsprechend wurde verfahren.

In einer 3. Gläubigerausschusssitzung am 03.02.2000 wurde der einzige Übernahmeinteressent Herr … vorgestellt. Dieser wurde gebeten, bis spätestens 08.02.2000 ein schriftliches Angebot vorzulegen. Dem kam Herr … mit einem „Kurz-Exposé” am 08.02.2000 nach (Bl. 69 bis 72 d. A.). Dies fand nicht die Zustimmung des Gläubigerausschusses. Deshalb beschloss der Ausschuss am 15.02.2000, den Betrieb der Gemeinschuldnerin stillzulegen.

Der Beklagte informierte hierauf mit Schreiben vom 17.02.2000 die Klägerin über diesen Beschluss und stellte sie mit Wirkung zum 21.02.2000 von der Arbeit frei. Am 22.02.2000 zeigte der Beklagte dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an. Die Gläubigerversammlung stimmte einer Stilllegung am 16.03.2000 zu.

Die Klägerin hat bis einschließlich Dezember 1999 Vergütung erhalten, dagegen nicht für die Zeit ihrer Arbeitsleistung vom 01.01. bis 21.02.2000.

Die für diese Zeit abgerechnete Vergütung (siehe Lohnabrechnungen Bl. 5/6 d. A.) hat die Klägerin mit am 18.07.2000 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage in erster Linie geltend gemacht. Sie hat ausgeführt, der Beklagte hätte sie spätestens zum 01.01.2000 freistellen müssen, um ihr die Möglichkeit zu geben, Arbeitslosengeld zu beziehen. Er hätte nicht auf das Angebot des Herrn … warten dürfen. Denn dieses Angebot sei nicht seriös gewesen; das Exposé Herrn … sei unzureichend gewesen; es hätte auch die Unterschrift gefehlt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.256,69 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, 2.256,69 Euro brutto nach Abschluss vorliegenden Insolvenzverfahrens abzüglich der auszuzahlenden Quote gemäß Vergleich vom 30.08.2001 zum Aktenzeichen 4 Ca 1882/01 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.02.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat entgegnet, Pflichtverletzungen gegenüber der Klägerin hätten nicht vorgelegen. Die Liquidität der Gemeinschuldnerin sei bis 10.02.2000 gesichert gewesen. Aufgrund der Beschlüsse des Gläubigerausschusses der Gläubigerve...

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