rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Wegfall der allgemeinen Verfahrensgebühr bei Klagerücknahme nach Unterzeichnung des Gerichtsbescheides. Allgemeine Verfahrensgebühr; Gerichtskosten; Klagerücknahme; Gerichtsbescheid; Verbleibender Verlustabzug

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Klagerücknahme nach Unterzeichnung des Gerichtsbescheides entfällt die allgemeine Verfahrensgebühr nicht.
  2. Ein Gerichtsbescheid ist bereits erlassen i.S.v. 3113 KV, wenn er unterschrieben ist und nicht erst dann ergangen, wenn er zugestellt ist.
  3. Eine Verfahrensgebühr soll nach den Erwägungen des Gesetzgebers dann nicht wegfallen, wenn sich das Gericht bereits umfassender mit dem Streitstoff beschäftigt hat.
 

Normenkette

FGO § 72 Abs. 2 S. 2; GKG KV; KV 3110; KV 3113

 

Tatbestand

Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer erhob am 19.01.1999 Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht.

Da der Prozeßbevollmächtigte trotz Fristsetzung nach § 65 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) das Klagebegehren nicht innerhalb der Ausschlußfrist bezeichnete, wies der Berichterstatter die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20.08.1999 als unzulässig ab. Die Zustellung des Gerichtsbescheides erfolgte am 03.09.1999. Zwischenzeitlich hatte der Bevollmächtigte die Klage allerdings mit Schriftsatz vom 30.08.1999, eingegangen bei Gericht am 01.09.1999, zurückgenommen.

Der Berichterstatter stellte sodann das Verfahren durch Beschluß vom 03.09.1999 gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO ein.

Der Kostenbeamte setzte mit Kostenrechnung vom 20.10.1999 eine allgemeine Verfahrensgebühr (3110 KV) und eine Gebühr für den Erlaß des Gerichtsbescheides (3113 KV) fest.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung.

Der Kostenschuldner macht geltend, es sei ohne mündliche Verhandlung entschieden worden, so daß ihm die Gelegenheit genommen worden sei, die Klage zurückzunehmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung hat teilweise Erfolg.

Die Gebühr für den Gerichtsbescheid entsteht erst nach dessen Zustellung. Dieses war im Streitfall der 03.09.1999. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bereits am 01.09.1999 die Klagerücknahme bei Gericht eingegangen. Die Gebühr für den Gerichtsbescheid ist somit nicht entstanden.

Der Kostenbeamte hat allerdings zutreffend die allgemeine Verfahrensgebühr nach 3113 KV angesetzt. Sie ist auch nicht wegen der Klagerücknahme vor Zustellung des Gerichtsbescheides entfallen nach 3110 KV.

Ein Gerichtsbescheid ist bereits erlassen i.S. dieser Vorschrift, wenn er unterschrieben ist, und nicht erst dann ergangen, wenn er zugestellt ist. Zweck der Neuregelung des KostÄndG vom 24.06.1994 war es, die Beteiligten des Rechtsstreites durch kostenrechtliche Sanktionen davon abzuhalten, ihre Klage erst zu einem Zeitpunkt zurückzunehmen, in dem in der Sache bereits umfassend vorbereitet war. Das Kostenrecht des KV, das Tatbestände und Rechtsfolgen des Prozeßrechts eigenständig auswählt und bewertet, wobei es Art und Gewicht gerichtlicher Entscheidungen pauschal würdigt, beruht auf dem Gedanken, daß sich die Höhe der Gebühren nach dem Maß der gerichtlichen Tätigkeit bemißt (BFH-Beschluß vom 04.10.1983 VII E 6-7/83, BStBl II 1984, 62). Nach den Erwägungen des Gestzgebers soll die Verfahrensgebühr deshalb nicht wegfallen, wenn sich das Gericht bereits umfassender mit dem Streitstoff beschäftigt hat. So entfällt nach 31110 KV die Gebühr nach Zurücknahme der Klage ausdrücklich nur, wenn diese vor Ablauf des Tages, an dem ein Gerichtsbescheid unterschrieben ist, zurückgenommen wird. Im Streitfall ging die Klagerücknahme jedoch erst nach dem Unterschreiben des Gerichtsbescheides ein. Die Verfahrensgebühr ist deshalb entstanden.

Der Kostenschuldner kann auch nicht damit gehört werden, ihm sei die Möglichkeit der Klagerücknahme genommen worden, da ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden worden sei. Der Gerichtsbescheid läßt unmißverständlich erkennen, daß er im vorbereitenden Verfahren (§ 79a Abs. 2 Satz 2 FGO) ergangen ist. Der Berichterstatter konnte nach § 79a Abs. 2, 4 FGO im vorbereitenden Verfahren durch Gerichtsbescheid entscheiden. Dem Kostenschuldner war zuvor unter Fristsetzung rechtliches Gehör gewährt worden. Bei Fristeinhaltung hätte er deshalb die Klage gerichtsgebührenfrei zurücknehmen können.

Über die Erinnerung gegen den Kostenansatz war durch den Berichterstatter zu entscheiden. Der Anwendungsbereich des § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO schließt insbesondere auch Kostenerinnerungen ein. Mit der ausdrücklichen Zuweisung in § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO werden grundsätzlich alle erstinstanzlichen Kostenentscheidungen erfaßt (Gräber, FGO, 4. Auflage, § 79a Anm. 6e; Tipke/Kruse, FGO, § 79a Anm. 11; Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluß vom 04.01.1996, 6 Ko 5/94, EFG 1996, 560).

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (Gräber, a.a.O., § 149 Anm 7; Tipke/Kruse, a.a.O., § 149 Anm. 8). Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet. Die gerichtlichen Auslagen trägt der Kostenschuldner zu ½.

 

Fundstellen

EFG 2001, 654

NWB-DokSt 2001, 760

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