Leitsatz

Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 begründen als Kollisionsregeln keinen unmittelbaren Anspruch auf Kindergeld aus Unionsrecht. Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG besteht nur, wenn die mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und 3, § 62 Abs. 1 EStG, Art. 48 AEUV, Art. 13, Art. 14 VO Nr. 1408/71, § 8, § 9 AO, § 118 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Zu entscheiden war, ob der Kläger für den Streitzeitraum März 2005 bis August 2006 einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für seine im März 1987 geborene Tochter und seinen im Oktober 1992 geborenen Sohn hat.

Der Kläger stammt aus Oberschlesien und besitzt sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsangehörigkeit. Er war vom 1.3.2005 bis zum 18.4.2006 und vom 29.5.2006 bis zum 16.8.2006 in Deutschland als Elektromonteur bei der S sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Zeitraum von März 2005 bis April 2006 war er für S zur Ausführung von Aufträgen in Österreich tätig.

Den Antrag auf Gewährung von Kindergeld für seine Kinder, die mit ihrer Mutter – der Ehefrau des Klägers – in der Familienwohnung in Polen lebten, lehnte die Familienkasse ab, weil der Kläger weder seinen Wohnsitz in Deutschland durch Vorlage eines Mietvertrages und Nebenkostenabbuchungen noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt durch Vorlage von Einsatzplänen des Arbeitgebers nachgewiesen habe.

Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.10.2010, 2 K 1271/07, Haufe-Index 2689924, EFG 2011, 1437).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.

Er folgte der Argumentation des FA und des FG, wonach der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 EStG habe.

Der Kläger berufe sich ohne Erfolg auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71).

Art. 14 der VO Nr. 1408/71 bestimme zwar, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats unterliegt, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.

Diese Vorschrift sei aber lediglich eine Kollisionsnorm und enthalte – wie die anderen Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 – keine (selbstständige) Anspruchsgrundlage für Kindergeld.

 

Hinweis

Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer

1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a) nach § 1 Abs. 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b) nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.3.2013 – XI R 37/11

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