rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuziehung eines weiteren Gutachters bei der Anhörung zum gerichtlichen Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Hat ein Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt, ist es gehalten, selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob es dem Gutachten folgen darf. Ausnahmsweise (Ermessen) kann es geboten sein, ein weiteres gerichtliches Gutachten einzuholen, wenn das Erstgutachten grobe Mängel aufweist, die es zur Sachverhaltsfeststellung ungeeignet erscheinen lassen.
  2. Die Hinzuziehung von Privatgutachtern der Beteiligten zu einer gerichtlich angeordneten mündlichen Erläuterung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist nur erforderlich, wenn die Ausführungen des gerichtlichen Gutachtens so mangelhaft erscheinen, dass sich eine Gegenüberstellung mit einem Privatgutachter aufdrängt.
 

Normenkette

EStG § 14 Abs. 1, § 16 Abs. 3 S. 1

 

Streitjahr(e)

1993

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.07.2007; Aktenzeichen IV B 72/06)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind der Zeitpunkt der Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes sowie die Höhe des Aufgabegewinns streitig.

Die Klägerin war die Alleinerbin ihres am 17.1.1981 verstorbenen Ehemanns F. H., zu dessen Nachlass der landwirtschaftliche Betrieb gehörte. Bereits in 1979 hatte F. H. den Betrieb an seine Tochter S. R. verpachtet. Diese beendete ihre landwirtschaftliche Tätigkeit im Herbst 1985 nach Durchführung der Ernte. Sämtliches lebendes und totes Inventar wurde zu diesem Zeitpunkt veräußert. In den folgenden Jahren verpachtete die Klägerin in ihrem Eigentum stehende Ackerflächen und erklärte die Einnahmen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (ESt-Akte Bl. 10, 26, 42). Zuvor zugepachtete Flächen wurden an die Verpächter zurückgegeben.

Mit Vertrag vom 11.10.1993 (ESt-Akte Bl. 35) übertrug die Klägerin die Hofreite in „R., H.str.” mit Acker- und Grünland im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Tochter S. R. Die am 11.10.1994 beim Finanzamt eingegangene Einkommensteuererklärung 1993 enthielt eine Beilage mit der Erklärung, dass „der bisher fremd verpachtete Betrieb der G. H. zum November 1993 steuerlich aufgelöst werde”. Die zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Hofreite sowie das zum Betrieb gehörende Acker- und Grünland werde im Hinblick auf den Vertrag vom 11.11.1993 in das Privatvermögen überführt. Die Tochter S. R. beabsichtige nicht, einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Aufgabegewinn wurde mit 253.304,-- DM berechnet und entsprechend zur Einkommensteuer erklärt. Am 2.2.1995 erließ das Finanzamt einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid 1993, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand (FG-Akte Bl. 24 f).

Am 22.10.1998 führte der Beklagte durch seinen Amtlichen Landwirtschaftlichen Sachverständigen (ALS) F. und seinen Amtlichen Bausachverständigen R. bei der Klägerin eine Ortsbesichtigung durch. Anschließend wurde auf den 11.10.1993 ein Verkehrswert der in das Privatvermögen überführten Hofreite i.H.v. 500.000,-- DM berechnet (Hefter „Betriebsaufgabe Bl. 26 ff).

Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) den Änderungsbescheid vom 3.12.1998, der einen Veräußerungsgewinn von 436.284,-- DM ansetzte (500.000,-- DM abzüglich der Buchwerte von 63.716,-- DM).

Das Einspruchverfahren, dessen Gegenstand auch das von der Klägerin privat in Auftrag gegebene Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen K. W. vom 25.6.1994 (FG-Akte Bl. 27 ff) war, blieb erfolglos. Das Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 8.1.2001 (zur Post am 15.1.2001) als unbegründet zurück.

Mit der nunmehr erhobenen Klage ist die Klägerin der Auffassung, der angefochtene Änderungsbescheid hätte wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht ergehen dürfen und berücksichtige im Übrigen zu Unrecht einen Veräußerungsgewinn. Der Bescheid verletze sie deshalb in ihren Rechten.

Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ergebe sich daraus, dass der ruhende landwirtschaftliche Betrieb bereits 1985 mit steuerlicher Wirkung aufgegeben worden sei. Damit hätten weder der Bescheid vom 2.2.1995 noch der Bescheid vom 3.12.1998 ergehen dürfen. Zwar habe der Erblasser F. H. mit der Verpachtung des Betriebs an seine Tochter das ihm zustehende Wahlrecht dahin gehend ausgeübt, dass der Betrieb nicht aufgegeben werde. Dieser Zustand habe sich aber nur bis zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung durch die Tochter in 1985 fortgesetzt. Denn hier sei offenbar geworden, dass weder für die Klägerin noch für einen Rechtsnachfolger die Möglichkeit bestanden habe, den Betrieb wieder aufzunehmen. Die Klägerin habe bereits Witwenrente bezogen, sie sei zu einer aktiven Fortführung des Betriebs nicht mehr in der Lage gewesen.

Im Übrigen habe der Gutachter des Finanzamts falsche Feststellungen getroffen, die hieraus abgeleiteten Wertansätze seien unzutreffend.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen W. sei der Quadratmeterpreis des ins Privatverm...

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