Kommentar

1. Zur Haftung einer Bank als Verfügungsberechtigte ( § 35 AO , § 69 AO ) für die Steuerschulden des Kreditnehmers reicht es grundsätzlich nicht aus, daß sie sich zur Sicherung ihrer Betriebskredite die Forderungen des Kreditnehmers hat abtreten lassen und daß sie in tatsächlicher Hinsicht auf dessen Geschäftsführung und die Vermögensdisposition Einfluß nehmen kann.

2. Der Verfügungsberechtigte i. S. von § 35 AO muß in der Lage sein, aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.03.1995, VII R 38/94

Anmerkung:

Eine Sparkasse hatte einem Hotel- und Gaststättenpächter einen Kredit gewährt und sich zur Sicherung dieses Kredits nahezu alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Kreditnehmers gegen dessen Kunden abtreten lassen. Die Sparkasse, der Pächter und der Verpächter des Betriebs hatten außerdem eine Vereinbarung getroffen, nach der der Pächter alle Zahlungen aus dem Pachtverhältnis über ein bei der Sparkasse geführtes Geschäftskonto leisten mußte. Von dem wöchentlichen Pachtzins (10.000 DM) stand der Sparkasse ein erstrangiger Teilbetrag von 4.500 DM zu. Die Sparkasse konnte jederzeit die Geschäftsbücher des Pächters einsehen und den Verpächter zur Kündigung des Pachtverhältnisses nach ihrer Weisung verpflichten, falls der Betrieb nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geführt wurde. Da sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ständig verschlechterte, wurde der Pachtvertrag fristlos gekündigt und der Betrieb eingestellt; die Eröffnung des Konkurses wurde mangels Masse abgelehnt.

Der Streit ging um die Frage, ob das Finanzamt die Sparkasse wegen rückständiger Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Umsatzsteuer als Verfügungsberechtigter und Haftungsschuldner nach § 35 AO – i. V. m. § 34 Abs. 1 AO und § 69 AO – in Anspruch nehmen konnte ( Haftung ). Nach § 35 AO haben diejenigen, die als „Verfügungsberechtigte” nach außen auftreten , unter gewissen Voraussetzungen die „Pflichten eines gesetzlichen Vertreters”; sie müssen also – wie z. B. auch der Geschäftsführer einer GmbH – u. a. dafür sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

Eine solche Verpflichtung wird allerdings vom BFH für die Fälle verneint, in denen es im Zusammenhang mit Kreditverträgen lediglich zu Sicherungsübereignungen ( Sicherungsübereignung ) oder Sicherungs abtretungen kommt. Der Kreditgeber erhält in solchen Fällen zwar nach außen das Eigentum an Sachen bzw. die Stellung als Gläubiger von Forderungen des Kreditnehmers. Er wird dadurch aber nicht zum „Verfügungsberechtigten” i.S.d. § 35 AO . Die dem Kreditgeber eingeräumte Verwertungsbefugnis dient ausschließlich seiner Befriedigung; die ihm eingeräumten Rechte sind mit denen eines Pfandgläubigers ( §§ 1204 ff. BGB ) vergleichbar.

Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen dem Kreditgeber Rechte eingeräumt werden, die über die Befugnis zur Verwertung des Sicherungsguts hinausgehen (z. B. durch Mitsprache- und Verfügungsbefugnisse im Betrieb des Kreditnehmers). Der Kreditgeber kann als Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 AO anzusehen sein, wenn er in der Lage ist, wie ein Treuhänder oder Geschäftsführer aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln.

Dagegen reicht die nur tatsächliche Möglichkeit, auf die Geschäftsführung und die Vermögensdispositionen des Kreditnehmers durch wirtschaftlichen Druck Einfluß zu nehmen, zur Begründung der Steuerpflichten nach § 35 AO , § 34 AO nicht aus. Aus diesem Grunde sah der BFH auch im Streitfall keine rechtliche Handhabe, die Sparkasse für die Steuerschulden des Kreditnehmers in Anspruch zu nehmen.

Haftung

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge