4.3.1 Nachhaltigkeit als Herausforderung für Unternehmen und Controller

Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist bereits seit Jahrhunderten in Verwendung – sie wird heute üblicherweise im Sinne der UN-Definition wie folgt verstanden: eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.[1] Häufig wird im wirtschaftlichen Kontext auch synonym von Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Ecological, Social and Governance (ESG) gesprochen.

Ökologische und soziale Verwerfungen der Gegenwart haben das Thema der Nachhaltigkeit zu einem Prioritären werden lassen. Die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen geben einen globalen Rahmen für die Entwicklungen vor, die in der Gesellschaft notwendig sind, um die Lebensgrundlagen der Menschheit zu erarbeiten.

Vor allem die Politik in Europa und in anderen Rechtsordnungen ist darüber hinaus gegenwärtig bestrebt, die Grundsätze der Nachhaltigkeit in ihren Wirtschaftsordnungen zu verankern – und damit Unternehmen zum Treiber dieser Entwicklung zu machen: diese Unternehmen ökologisch und sozial schädliche Praktiken erkennen und einstellen zu lassen, umgekehrt mit ihren Produkten und Dienstleistungen aktiv zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart beizutragen.

Dabei arbeitet die Politik v.a. mit Marktmechanismen, indem die Kapitalmärkte so umgestaltet werden, dass nachhaltiges Wirtschaften belohnt und nicht nachhaltiges sanktioniert wird (z. B. über Finanzierungsmöglichkeiten und -konditionen).[2]

[1] Vgl. UN, 1987, S. 41.
[2] Vgl. Baumüller/Scheid/Needham, 2021, S. 337ff.

4.3.2 Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitscontrolling

Für Unternehmen bedeutet nachhaltige Unternehmensführung, dass sie neben den traditionell im Zentrum stehenden finanziellen Erfolgsmaßstäben auch die ökologischen und sozialen Folgen ihrer Wirtschaftsaktivitäten erfassen und steuern. Dies nimmt die obersten Führungs- und Aufsichtsorgane (z. B. Vorstand und Aufsichtsrat) in die Pflicht,

  • die wesentlichen – positiven und negativen – Auswirkungen der Wirtschaftsaktivitäten ihres Unternehmens zu erkennen,
  • Ziele und Strategien zum Umgang mit diesen Auswirkungen zu formulieren,
  • dabei den Einklang mit den normativen (Werte-)Grundlagen des Unternehmens zu überprüfen (und ggf. auch dbzgl. Entwicklungsschritte zu setzen),
  • Anreize für nachhaltiges Wirtschaften in allen Governance-Mechanismen des Unternehmens zu verankern (z. B. Bonussysteme),
  • Nachhaltigkeit darüber hinaus über alle Bereiche der Aufbauorganisation des Unternehmens zu implementieren.

Um dies zu leisten, ist ein intensiver Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens unerlässlich: von Kunden zu Mitarbeitern bis hin zu Nichtregierungsorganisationen, die etwa ökologische Themen oder Fragen in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte vertreten. Ihre Erwartungen, Ansprüche und Interessen bilden den Maßstab für die Auswirkungen, die von Unternehmen erzielt werden – denn Auswirkungen sind letztlich nichts anderes als die konkret beobachtbaren Veränderungen in Umwelt oder Gesellschaft, die aus deren Wirtschaftsaktivitäten resultieren.[1]

Aufgabe des Nachhaltigkeitscontrollings ist es auch hier, dem Management mit dem erforderlichen Instrumentarium unterstützend zur Seite zu stehen. In Anbetracht des Umstandes, dass dieses Rollenprofil im Controlling noch vergleichsweise jung ist, steht gegenwärtig noch häufig das Leisten von Grundlagenarbeit in den Unternehmen im Fokus. Dies umfasst v.a. die Strukturierung von Datenerfassungs- und sonstigen Berichtsprozessen, die Definition von Kennzahlen und die Verknüpfung von Informationen zur Nachhaltigkeitsleistung mit solchen zur finanziellen Leistung des Unternehmens.

[1] Vgl. Baumüller, 2019, S. 955ff.

4.3.3 Ansatzpunkte für die Etablierung eines Nachhaltigkeitscontrollings

Eine erste zentrale Aufgabe des Nachhaltigkeitscontrollings liegt zunächst hierin, den Business Case zu identifizieren, der mit der (besseren) Berücksichtigung von Aspekten des nachhaltigen Wirtschaftens in das Geschäftsmodell des Unternehmens einhergeht.

Dies erfordert eine Verknüpfung finanzieller und nachhaltigkeitsbezogener Erfolgsmaßstäbe i. S. eines Werttreibermodells: Finanzielle Größen werden als "lagging indicators" häufig von qualitativen Aspekten ("leading indicators") bestimmt, weswegen für Letztere auch von "pre-financials" gesprochen wird. Abb. 3 veranschaulicht beispielhaft die Zusammenhänge, die dabei herzustellen sind, die die Akzeptanz sowie das Erfordernis der Befassung mit dem Thema der Nachhaltigkeit in Unternehmen maßgeblich erhöhen.

Dies stellt zugleich die Grundlage für die Formulierung einer weiteren Nachhaltigkeitsstrategie und deren Implementierung in die allgemeine Unternehmensstrategie dar:

Abb. 3: Nachhaltigkeitsaspekte als Werttreiber in Unternehmen[1]

Ebenso hat das Nachhaltigkeitscontrolling seine Beiträge dafür zu leisten, dass das Unternehmen aus der Vielzahl an relevanten Nachhaltigkeitsthemen jene herausfiltert, die von wesentlicher Bedeutung sind. Der Prozess dieser sog. "Wesentlichkeitsanalyse" erfordert die Festlegung klar strukturierter Abläufe (z. B. für den Dialog mit den Stakehold...

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