Rz. 1

§ 90 EStG regelt im Wesentlichen die Aufgaben der zentralen Stelle (§ 81 EStG: Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen – ZfA).[1] Sie ermittelt den Zulageanspruch (Abs. 1), veranlasst die Auszahlung (Abs. 2), fordert unberechtigt ausgezahlte Zulagen zurück (Abs. 3 und 3a) und setzt die Zulage fest (Abs. 4). Das weitgehend maschinell ausgestaltete Verfahren ist in besonderer Weise auf Schnelligkeit, Einfachheit und Effizienz angelegt.[2] Bis zur Festsetzung der Zulage nach § 90 Abs. 4 EStG verlaufen die Kommunikationswege zwischen dem Zulageberechtigten und der handelnden Behörde in beide Richtungen über den Anbieter (sog. "Anbieterverfahren").

In diesem Zusammenhang wird das Zusammenspiel von Zulageberechtigtem, Anbieter und zentraler Stelle als den 3 Hauptakteuren im Verfahren bei Gewähr von Altersvorsorgezulage immer wieder als Dreiecksverhältnis beschrieben.[3] Das Bild des Dreiecks mag für das Verfahren als Ganzes insbesondere bei Einbeziehung von § 90 Abs. 4 EStG seine Berechtigung haben. Für die Beschreibung der Abläufe im automatisierten Verfahren kann jedoch noch präziser eher von einem "Vorrang der Anbieterbeziehungen" gesprochen werden. Danach kommt dem Anbieter eine Art Scharnierfunktion zwischen Zulageberechtigtem und zentraler Stelle zu: Ausschließlich über den Anbieter können Anträge auf Gewähr von Altersvorsorgezulage gestellt werden. Über den Anbieter werden die Zahlungsströme abgewickelt. Der Anbieter teilt dem Zulageberechtigten das Ergebnis der behördlichen Entscheidung mit, über das allein der Anbieter von der zentralen Stelle im maschinellen Weg informiert wird. Grund für diese Ausgestaltung sind die Bündelung der Vorgänge und die Beherrschbarkeit des Massenverfahrens.

Letztlich basiert dieses Modell auf einer Arbeitsteilung zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft: Den Anbietern kommt die Aufgabe zu, die für den Antrag auf Zulage erforderlichen Daten zu erfassen, deren Aktualität sicherzustellen und diese in eine elektronisch austauschbare Form umgewandelt (Datenaufbereitungsfunktion) an die zentrale Stelle zu übermitteln. Die zentrale Stelle entscheidet über das "Ob und Wie" der Gewährung von Zulagen und überprüft das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Der behördliche Verwaltungsapparat soll so schlank wie möglich gehalten werden und sich auf die hoheitlichen Aufgaben konzentrieren. Die Gewährung der Zulage im vollautomatisierten Massenverfahren ist der Regelfall, ein Antrag auf Festsetzung ist die Ausnahme. In der Vergangenheit wurde bezogen auf die Gesamtheit aller Anträge auf Gewährung von Altersvorsorgezulage in weniger als 2 % von der Option des § 90 Abs. 4 EStG Gebrauch gemacht.

 

Rz. 2

Das in §§ 90 und 91 EStG normierte Verfahren wurde 2001 mit dem Altersvermögensgesetz (AVmG)[4] eingeführt und ist Ergebnis des erst im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromisses[5], die Gewährung der Altersvorsorgezulage zentral zu verwalten. Eine Besonderheit des Verfahrens bestand bislang in der Vornahme (§ 90 Abs. 2 S. 1 EStG) einer staatlichen Transferleistung in Form einer Zahlung, die im Wesentlichen auf Angaben eines Stpfl. beruht, deren Vorliegen aber erst zu einem späteren Zeitpunkt (§ 91 EStG) überprüft wurden.[6]

Ursprünglich wurde in den beiden das Verfahren regelnden Vorschriften (§§ 90 und 91 EStG) deutlich zwischen der Ermittlung des Anspruchs auf Altersvorsorgezulage dem Grunde und der Höhe nach einerseits (§ 90 Abs. 1 EStG) und der Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt andererseits (§ 91 EStG) unterschieden.[7] Die Akzeptanz der "Riester-Rente" sollte durch die schnelle und möglichst unbürokratische Auszahlung gesteigert werden. Diese Unterscheidung wurde bereits durch die mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 und dem Alterseinkünftegesetz (AltEinkG)[8] vorgenommenen Veränderungen durchbrochen. Für die in § 10a Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 Nr. 1-5 EStG genannten Personengruppen (u. a. Beamte) findet die Ermittlung des Zulageanspruchs erst mit der Übermittlung der anspruchsbegründenden Daten durch die zuständigen Stellen (§ 81a EStG) statt. Eine Überprüfung nach § 91 Abs. 1 EStG ist bei dieser Personengruppe grundsätzlich (anders bei Beantragung von Kinderzulage) nicht mehr nötig, da die Ermittlung in diesen Fällen nicht allein auf den Angaben des Zulageberechtigten beruht, sondern auf den Angaben der jeweiligen zuständigen Stelle. Dieser Trend setzt sich nunmehr aufgrund des Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022)[9] weiter fort. Mit Wirkung zum 1.1.2024 wird die Auszahlung der Zulagen künftig erst erfolgen, nachdem nicht nur das Ermittlungs-, sondern auch das Überprüfungsverfahren abgeschlossen wurden. Es handelt sich insofern um einen Paradigmenwechsel, durch den die Vorteile der weiteren Reduzierung von Rückforderungen in Form einer Verschlankung der Prozesse bei der zentralen Stelle einerseits und Verringerung des Bürokratieaufwands bei den Anbietern andererseits stärker in den Vordergrund rückt.

[1] https://riester.deutsche-renten...

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