Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Behandlung eines Verzichts auf eine nicht mehr voll werthaltige Forderung durch Gesellschafter einer KG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Auslegung, ob die Gesellschafter eine Genussrechtsforderung gegenüber der KG unter dem Nennwert erworben haben oder bereits durch die Gläubiger ein (teilweiser) Verzicht gegenüber der KG erfolgt ist, sind neben dem Wortlaut der Übertragungsverträge die beiderseitigen Interessen und sämtliche Begleitumstände zu berücksichtigen.

2. Der (teilweise) Verzicht eines Gesellschafters einer KG auf eine zuvor von ihm unter dem Nennwert erworbene Genussrechtsforderung gegenüber der KG führt zunächst nicht zu einem steuerpflichtigen Ertrag bei der Personengesellschaft.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 3, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 397-398

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2023; Aktenzeichen IV R 28/20)

 

Tatbestand

Streitig ist die Behandlung eines Forderungsverzichts.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie ist Teil einer Firmengruppe, deren Organträger sie ist. Komplementär ist die H GmbH, die nur eine Vergütung erhält. Kommanditistinnen sind die H Unternehmensverwaltung GmbH (80 %), die XAV AG (10 %) und die XLV AG (10 %).

Im Jahr 2004 schloss die Klägerin mit der E LP (Channel Islands) und der P LP (Channel Islands) jeweils eine Genussrechtsvereinbarung (nachfolgend: GRV) ab, mit der die Gläubiger der Klägerin (Kreditnehmer) einen Vorschuss i.H.v. 10 Mio. EUR bzw. 18 Mio. EUR gewährten (nachfolgend: P). Die Genussrechte wurden mit einer Laufzeit bis zum März bzw. Oktober 2011 gewährt.

Die Verbindlichkeiten aus den GRV wurden von der Klägerin mit ihrem Nennwert von insgesamt 28 Mio. EUR in der Gesamthandsbilanz passiviert.

Bedingt durch hohe Investitionen in ein eigenes MDF/HDF-Plattenwerk kam es in der Firmengruppe zum Ende des Jahres 2008 zu hohen Verlusten. Anlaufschwierigkeiten im Werk und die allgemeine Wirtschaftskrise führten dazu, dass die C-Gruppe laufende langfristige Kredite nicht mehr tilgen konnte. Das Bankenkonsortium gewährte insoweit eine Tilgungsaussetzung. Die ausgesetzten Tilgungsbeträge der regulären Bankdarlehen für die Vorjahre sollten Ende des Jahres 2010 zurückgeführt werden, wozu die C-Gruppe aber nicht in der Lage war. Eine Verlängerung der im März 2011 zur Rückzahlung fälligen P-Mittel war aufgrund des von der Finanzkrise noch stark belasteten Venture-Kapitalmarkts und des seinerzeit hohen Insolvenzrisikos der C-Gruppe ausgeschlossen. Für eine ordnungsgemäße Rückzahlung stand der C-Gruppe keine Liquidität zur Verfügung. Im Herbst 2010 machten die Banken der Klägerin zur Bedingung, dass die P-Mittel vor der Gewährung eines neuen Finanzierungsrahmens vorab zu tilgen seien. Nach dem Willen der Banken sollten ihre Mittel nicht anschließend zur Tilgung der nachrangigen P-Verbindlichkeiten verwendet werden, während sie seit 2008 keine Tilgungen mehr erhalten hatten. Es sollte aber auch keine Zahlungsunfähigkeit dadurch eintreten, dass die Klägerin die P-Mittel zurückzahlen muss, aber nicht zurückzahlen kann.

Die Gesellschafter der Klägerin erklärten sich bereit, 14 Mio. EUR zur Ablösung der GRV zur Verfügung zu stellen. Hierzu gründeten sie (und Herr Dr. H mit einer Kommanditeinlage von 500 EUR, aber ohne Vermögensbeteiligung) mit Gesellschaftsvertrag vom 29. November 2010 die C Finanz GmbH & Co. KG (nachfolgend: C) und boten den Genussrechtsgläubigern den Ankauf der Forderungen an (Bl. 7 ff Ap-Akte Bd. 9/11). Auf ihr eigenes Vorkaufsrecht verzichteten sie.

Am 17. Dezember 2010 schlossen die Genussrechtsinhaber (Übertragende), die C (Empfängerin) und die Klägerin (Kreditnehmer) über die beiden Genussrechte i.H.v. 10 Mio. EUR bzw. 18 Mio. EUR jeweils einen Übertragungsvertrag ("Transfer Agreement", s. unter Vorbemerkungen sowie § 2.1 des Vertrages: Vertragsübernahme bzw. Übertragung der GRV "samt aller Rechte und Pflichten"; Übersetzung in Band 9/11 Ap-Akte am Ende in Klarsichthülle). § 2.3 enthält eine Auflistung der aufschiebenden Bedingungen, die für die Wirksamkeit der Übertragung erfüllt und nachgewiesen sein müssen. Laut § 3 war der Kaufpreis von 5 Mio. EUR bzw. 9 Mio. EUR bis spätestens 22. Dezember 2010 fällig. Unter § 5 enthalten die Übertragungsverträge "Erklärungen und weitere Zusicherungen der Empfängerin", u.a. lautet § 5.3 wie folgt:

"Unter der Voraussetzung, dass die Übertragung nach § 2.2 durchgeführt wurde, versichern sowohl die Empfängerin wie der Kreditnehmer gegenüber der Übertragenden, dass sie während der derzeitigen finanziellen Restrukturierung des Kreditnehmers, wovon die Übertragung ein Teil ist, und noch vor dem in § 3.1 der GRV genannten Enddatum, die GRV in ein Nachrangdarlehen zwischen Empfängerin und Kreditnehmer umwandeln, wobei in diesem Nachrangdarlehen:

  1. der Nominalbetrag 5 Mio. EUR bzw. 9 Mio. EUR (…) nicht überschritten wird,
  2. die Rückzahlung des Nominalbetrags nicht vor dem 31. März 2016 fällig und
  3. die Bestimmungen für die Nachrangigkeit im Wesentlichen denen au...

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