Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Steuerschulden eines volljährigen Kindes als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG
Leitsatz (amtlich)
Für die Begleichung der Steuerschulden eines volljährigen, in eigenem Haushalt lebenden Kindes durch die Eltern besteht weder eine rechtliche noch eine sittliche Verpflichtung i.S. des § 33 Abs. 2 S. 1 EStG, wenn die Zahlungen Aufwendungen betreffen, die aus dem Bereich der individuellen Lebensführung und -gestaltung des Kindes herrühren.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungen der Kläger für Schulden ihrer Tochter als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2005 als Pensionär und Unternehmensberater Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit sowie sonstige Einkünfte. Beide Kläger erzielen außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2005 machten die Kläger die Zahlung von Umsatzsteuerschulden für ihre Tochter, Frau S. W., in Höhe von 22.782,- € als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Übernahme der Steuerschulden der Tochter lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Frau W wurde im Jahr 2004 von ihrem Ehemann geschieden. Im Streitjahr 2005 waren die 4 gemeinsamen Kinder 17, 15, 12 und 8 Jahre alt. Für diese erhielt sie Unterhaltszahlungen von insgesamt 800,- €/Monat. Der Ehemann hinterließ seiner Frau 2 völlig überschuldete, in M belegene Immobilien, die die Kläger mit Kaufvertrag vom 02.03.2004 zum Preis von 865.186,- € erwarben, weil Frau W mit ihrem Gehalt als Lehramtsanwärterin die Darlehensverbindlichkeiten nicht bedienen konnte. Ein Gebäudeteil einer Immobilie war mit Umsatzsteueroption vermietet worden. Eine im Jahr 2005 für 2005 bei Frau W durchgeführte Außenprüfung führte zu einer Umsatzsteuernachzahlung i.H.v. insgesamt 22.782,- €, die die Kläger am 29.12.2005 für ihre Tochter an das Finanzamt B leisteten. Die Nachzahlung resultierte überwiegend aus einer Vorsteuerkorrektur bzw. einer Vorsteuerberichtigung für nachträgliche Herstellungskosten gemäß § 15 a UStG.
Im Einkommensteuerbescheid vom 14.09.2006 (ESt-Akte, Bl. 57) lehnte der Beklagte die Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab.
Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch (ESt-Akte, Bl. 91 ff), mit dem sie einwandten, im Streitfall handele es sich um eine außergewöhnliche Belastung, die durch sittliche Gründe – nämlich die soziale und familiäre Verbindung und gegenseitige Fürsorgeverpflichtung von Eltern und Kindern – zwangsläufig erwachsen sei.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erging – wegen eines hier nicht streitigen Punktes – am 23.03.2007 ein gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2005 (ESt-Akte, Bl. 81).
Mit Entscheidung vom 07.03.2008 wies der Beklagte den Einspruch zurück (Hefter, Bl. 145 ff), da die Aufwendungen – hätte sie die Tochter beglichen - gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 EStG als Werbungskosten bei deren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vom Abzug ausgeschlossen seien. Die Aufwendungen seien den Klägern auch nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 S. 1 EStG erwachsen.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie sinngemäß aus, ihre Tochter sei durch die Scheidung als allein erziehende Mutter von (damals) 4 minderjährigen Kindern finanziell in eine Notlage geraten, da sie von ihrem geschiedenen Ehemann nur 800,- € Unterhalt für alle Kinder erhalten habe. Sie habe deshalb die Referendarausbildung für das Lehramt aufgenommen, dadurch aber nur 1.170,- €/Monat Gehalt erzielt. Ihr Arbeitstag habe mit Unterrichts- und Prüfungsvorbereitung sowie der Versorgung der Kinder 16-18 Stunden betragen. Die steuerlichen Angelegenheiten seien bis zur Scheidung stets von ihrem Ehemann, der von Beruf Rechtsanwalt sei, und einem Steuerberater erledigt worden. Die Aufforderung zur Steuernachzahlung sei für die Tochter völlig unerwartet gekommen. Ein Nichtbegleichen der Steuerschuld durch sie, die Kläger, hätte zu Vollstreckungsmaßnahmen und zur Privatinsolvenz der Tochter geführt, die dadurch mit ihrer Familie zu einem Sozialfall geworden wäre. Durch diese Belastung habe bei der Tochter die Gefahr eines Nervenzusammenbruchs bestanden.
Unter Berücksichtigung dieser Hintergründe seien die Voraussetzungen des § 33 EStG als erfüllt anzusehen. Die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen ergebe sich aus der Tatsache, dass es sich um einen äußert komplexen Steuerfall gehandelt habe und die Steuerfestsetzung noch heute von den Urhebern (geschiedener Ehemann und Steuerberater S) angezweifelt werde. Die überwiegende Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger habe derartige Aufwendungen nicht. Vom Steuerberater S sei ein Gutachten angefordert worden, das keinen Hinweis auf die steuerliche Situation (Nachzahlung) enthalten habe. Die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ergebe sich aus sittlichen Gründen, da ihre...