Entscheidungsstichwort (Thema)

Heirat des Kindes, Mangelrechtsprechung

 

Leitsatz (redaktionell)

Kindergeld kann seit Januar 2012 auch für verheiratete Kinder gewährt werden. Seit Januar 2012 kommt es auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr an, so dass der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen ist (gegen DA-FamEStG 2013 Abschn. 31.2.2).

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1; DA-FamEStG Abschn. 31.2.2; EStG § 32 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld ab August 2012 für das Kind E., geboren am 19.09.1991.

Der Sohn der Klägerin, E., befindet sich seit dem 01.09.2011 in Berufsausbildung bei der H. F. GmbH in C. Sein monatliches Bruttoeinkommen ab dem zweiten Ausbildungsjahr beträgt 825,89 EUR. Der Ausbildungsvertrag soll nach dem Wortlaut des Vertrags am 28.02.2015 enden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausbildungsvertrag verwiesen.

Nach den vorgelegten Verdienstabrechnungen für das Jahr 2012 erhielt E. einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn von 10.811,91 EUR, wovon ein Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von 2.213,73 EUR einbehalten wurde.

E. ist seit dem 07.07.2012 verheiratet mit Frau E1. L., geb. T. Seine Ehefrau erzielt seit August 2012 ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 900,– EUR. Im Jahr 2012 erhielt sie aus ihrer Beschäftigung ab August einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn von 6.041,59 EUR, wovon ein Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von 1.269,76 EUR einbehalten wurde.

Nach Vorlage der Unterlagen bei der Beklagten führte diese eine Berechnung durch und gelangte zu dem Ergebnis, E. habe im Zeitraum von August bis Dezember 2012 ein steuerpflichtiges Bruttoeinkommen ohne Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von 3.745,96 EUR erzielt. Abzüglich des anteiligen Arbeitnehmerpauschbetrags von 416,67 EUR ergäben sich Nettoeinkünfte von 3.329,29 EUR. Zusätzlich seien jedoch die Einkünfte seiner Ehefrau für den Zeitraum August bis Dezember 2012 zu berücksichtigen, und zwar in Höhe von netto 4.212,66 EUR. Die Differenz zwischen beiden Nettoeinkünften, nämlich 883,37 EUR, sei E. hälftig zuzurechnen (441,96 EUR). Die Einkünfte und Bezüge des Kindes E. überschritten hiernach den anteiligen Grenzbetrag von 3.335,– EUR im Zeitraum August bis Dezember 2012.

Mit Bescheid vom 08.04.2013 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes zu Gunsten der Klägerin für das Kind E. gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – ab August 2012 auf. Dies begründete sie damit, E. sei verheiratet. Ab dem Folgemonat der Heirat bestehe kein Anspruch mehr auf Kindergeld, weil ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Eltern des Kindes, sondern dessen Ehegatte zum Unterhalt verpflichtet seien. E. könne sich unter Berücksichtigung des Unterhaltsbeitrags des Ehegatten selbst unterhalten, so dass ein Kindergeldanspruch ab dem Folgemonat der Heirat nicht mehr in Betracht komme.

Mit Schriftsatz vom 12.04.2013 legte die Klägerin Einspruch ein, der erfolglos blieb. In ihrer Einspruchsentscheidung vom 31.07.2013 führte die Beklagte aus, im Falle der Heirat des Kindes gelte weiterhin der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von jährlich 8.004,– EUR. Spätestens ab dem Folgemonat der Eheschließung bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – grundsätzlich kein Anspruch mehr auf Kindergeld für ein verheiratetes Kind, da nach der Heirat davon auszugehen sei, dass die Unterhaltsverpflichtung vorrangig bei dem Ehepartner liege. Hiervon könne nur dann abgewichen werden, wenn das Kind ebenfalls nicht über ausreichende Einkünfte verfüge und ein sog. Mangelfall vorliege, was im Streitfall jedoch nicht anzunehmen sei.

Daraufhin hat die Klägerin am 21.08.2013 Klage erhoben.

Mit ihrer Klage begehrt sie sowohl die Aufhebung des angefochtenen Bescheids als auch den Ausspruch der „Verpflichtung” oder „Feststellung”, dass Kindergeld für E. für den Streitzeitraum August 2012 bis Juli 2013 zu zahlen sei.

Sie führt aus, der frühere Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. sei ab dem Jahr 2012 entfallen. In der Rechtsprechung der Finanzgerichte sei daher bereits entschieden worden, dass das neue Gesetz für verheiratete Kinder keine Einschränkungen mehr vorsehe. Der Kindergeldanspruch setze entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine „typische Unterhaltssituation” mehr voraus (FG Münster, Urteil vom 30. 11. 2012 4 K 1569/12 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2013, 298).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 08.04.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.07.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Einspruchsentscheidung.

Im Übrigen hält die Beklagte auch im Jahr 2012 bei volljährigen verheirateten Kindern an ihrer bisherigen Verwaltungsauffassung fest (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG – DA-FamEStG – in der Fassung ab 11. 7. 2013, Tz. 31.2.1; Erlass des Bundeszentralamtes für Steuern vo...

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