Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Verkauf von Backwaren und Fast-Food zum Vor-Ort-Verzehr

 

Leitsatz (redaktionell)

Über die Zur-Verfügung-Stellung nicht bloß behelfsmäßiger Verzehrvorrichtungen hinaus erbrachte die Stpfl. gegenüber den Kunden, die die Gerichte vor Ort verzehrten, zusätzliche Dienstleistungen, indem sie Geschirr und Besteck zur Verfügung stellte und dieses ggf. durch ihre Mitarbeiter einsammeln und jedenfalls reinigen ließ. Dadurch tritt der Dienstleistungscharakter innerhalb der im Falle des Verzehrs vor Ort durch die Stpfl. zu leistenden Gesamtleistung in den Vordergrund.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 1, § 3 Abs. 1, 9, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.09.2021; Aktenzeichen XI R 12/21 (XI R 25/19))

BFH (Beschluss vom 15.09.2021; Aktenzeichen XI R 12/21)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in 2006 (Streitjahr) erzielte Erlöse aus dem Verkauf von Backwaren und Fast-Food zum Verzehr an Ort und Stelle dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (UStG) unterliegen.

Die Klin. ist Rechtsnachfolgerin der T. GmbH & Co. KG in M. (KG). Sie trat nach dem Streitjahr als Kommanditistin in die KG ein. Nach Ausscheiden der anderen Kommanditisten der KG wurde die Komplementärin der KG durch Verschmelzungsvertrag vom xx.xx.xxxx auf die Klin. zur Aufnahme verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am xx.xx.xxxx in das Handelsregister der Klin. als übernehmendem Rechtsträger und am xx.xx.xxxx in das Handelsregister der KG als übertragendem Rechtsträger eingetragen und erfolgte mit steuerlicher Rückwirkung auf den xx.xx.xxxx.

Die KG stellte im Streitjahr Backwaren aller Art her, vertrieb diese und betrieb Konditoreien und Cafés. Für insgesamt 84 ihrer Filialen hielt die KG Tische und Bestuhlung vor, wobei sich Tische und Stühle jedenfalls innerhalb dieser Filialen, ganz vereinzelt aber (zusätzlich) auch im Freien (vgl. z.B. die Abbildungen auf Bl. 77 und 89 d.GA.) befanden. Die Besteuerung der Umsätze dieser Filialen aus dem Verkauf zum Verzehr vor Ort ist im vorliegenden Verfahren streitbefangen. 71 der streitbefangenen Filialen befanden sich in sog. Vorkassenzonen, also nicht durch geschlossene Wände abgetrennten Eingangsbereichen, von Lebensmittelmärkten; bei den übrigen 13 Filialen handelte es sich um durch die KG separat betriebene Ladengeschäfte. In allen o.g. Filialen erfolgte die Ausgabe der zum Verzehr vor Ort bestimmten Waren und Speisen an den Kunden grundsätzlich direkt am Verkaufstresen. Die Räumung der teilweise mit Tischdecken und Blumenschmuck versehenen Tische oblag in der Regel den Kunden, wobei zur Rücknahme des ausgegebenen Geschirrs Regale bereit standen, die grundsätzlich durch die Kunden zu befüllen waren. Nur wenn die Kunden die Räumung der Tische unterließen, räumte das Personal der KG das Geschirr von den Tischen. Im Anschluss daran wurde das Geschirr dann durch das Personal der KG gereinigt. Die in den betreffenden Filialen beschäftigten Arbeitnehmer waren ausschließlich als Verkaufspersonal für Backwaren und nicht als Kellner, Koch oder gastronomisch ähnlich qualifiziertes Fachpersonal angestellt. Zur Veranschaulichung der Ausgestaltung der bestuhlten Filialen hat die Klin. eine Präsentation mit darin enthaltenen Abbildungen und Fotos (Bl. 79ff. d.GA.) zur Gerichtsakte überreicht, auf welche wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

In der Umsatzsteuer(USt)-Erklärung 2006 erklärte die KG Umsätze zum allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG (16 %) i.H.v. 5.230.210 € und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG (7 %) i.H.v. 62.279.926 €. Sie ordnete dabei die Umsätze aus dem Verkauf von Kaffee (sowohl zum Verzehr an Ort und Stelle, als auch zur Mitnahme), Non-Food-Artikeln sowie Backwaren und Fast-Food zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz, die Erlöse aus dem Verkauf der nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmen Backwaren – sowohl in den Filialen, als auch im Großhandel – und dem Außer-Haus-Verkauf von Fast-Food dem ermäßigten Steuersatz zu.

Ab August 2008 führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C. eine Prüfung betreffend die USt 2004 bis einschließlich 2008 bei der KG durch. Hintergrund der Prüfungsanordnung waren Feststellungen in Rahmen von Vorermittlungen, nach denen die KG bei einem Verzehr an Ort und Stelle nur die Getränkeumsätze dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterworfen hatte, nicht jedoch die Umsätze aus dem Verkauf der (vor Ort verzehrten) belegten Brötchen und Kuchenteile. Der Betriebsprüfungsbericht vom 13.8.2009 (Bl. 1 ff. der beigezogenen Betriebsprüfungsakte des Beklagten –Bekl.–), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, traf im Wesentlichen die Feststellung, dass die elektronischen Kassenaufzeichnungen der KG unzutreffend seien, weil in erheblichem Umfang vor Ort verzehrte Speisen nur mit dem ermäßigten Steuersatz erfasst und auch entsprechend...

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