Entscheidungsstichwort (Thema)

Zufluss von Zinsen. Einkommensteuer 1996

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge vereinbart, dass verzinsliche Abfindungsbeträge sechs Monate nach dem Tod des Übergebers fällig und zahlbar sind, so ist ein Zufluss der Zinsen nicht bereits mit Gutschrift auf einem privaten Darlehenskonto anzunehmen, sondern erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten, die für das Streitjahr 1996 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt wurden.

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 29. November 1983 gegen ihren Bruder einen Herauszahlungsanspruch im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Auf Grund dieser Vereinbarung stand der Klägerin und ihrer Schwester als Erbabfindung jeweils ein Betrag in Höhe von 39.000,00 DM zu. Diese Herauszahlungsbeträge waren „fällig und zahlbar innerhalb sechs Monaten nach dem Tode der Verkäuferin. Die Herauszahlungsbeträge” waren „vom 1. Januar 1984 an mit 5 % jährlich zu verzinsen. Die Zinsen” waren „mit den Herauszahlungsbeträgen in einer Summe fällig und zahlbar.” Die Mutter starb am … 1995. Der gesamte Abfindungsbetrag in Höhe von 39.000,00 DM zuzüglich 31.060,00 DM Zins und Zinseszins wurde der Klägerin im Mai 1996 ausbezahlt. Der Bruder der Klägerin führte im Zeitraum 1984 bis 1996 für die Klägerin ein Darlehenskonto mit jährlicher Zins- und Zinseszinsberechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichte Aufstellung verwiesen (§ 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Beide Ehegatten erzielten im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erklärten sie Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 71,00 DM aus der angelegten Mietkaution für ihre Wohnung. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) führte im ESt-Bescheid für 1996 vom 20. August 1997 die Veranlagung antragsgemäß durch und setzte dabei insbesondere die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 0 DM an.

Auf Grund einer Kontrollmitteilung über Zinsen in Höhe von 31.060,00 DM wurden die Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 1999 zur Überprüfung ihrer Angaben in der Steuererklärung aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 1999 legten die Kläger sachdienliche Unterlagen vor. Zum Zufluss der Zinsen („entsprechend der Besteuerung von Sparzinsen bei jährlicher Kontogutschrift”) führten sie aus: „Entgegen der Verwaltungsauffassung wird diesseits die Auffassung vertreten, daß die Zinsen und Zinseszinsen vorliegend im jeweiligen Entstehungsjahr als zugeflossen anzusehen sind.” Im Streitjahr 1996 sei aus dem Abfindungsanspruch nur noch ein Zinsbetrag von 22,05 DM zu versteuern.

Im Änderungsbescheid vom 12. März 1999 berücksichtigte das FA u. a. die genannten Zinsen in Höhe von 31.060,00 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Hiergegen wandten die Kläger sich mit dem Einspruch. Zur Begründung führten sie aus, die Zinsen seien jährlich berechnet und ab dem Folgejahr jeweils mitverzinst worden. Rein wirtschaftlich betrachtet habe die Klägerin eine sofortige Wiederanlage der im jeweiligen Kalenderjahr entstandenen Zinsen praktisch in gleicher Weise wie bei einem langfristig festgelegten Sparbuch bewirkt. Diese Sparzinsen gälten jedoch bereits im jeweiligen Entstehungsjahr als zugeflossen, da die Mitverzinsung im Folgejahr als Verfügung des Berechtigten gelte.

Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die streitigen Zinsen seien im Jahr des Zuflusses, d. h. der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, zu versteuern. Das sei regelmäßig der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolges oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen. Die Klägerin habe vor dem Tod ihrer Mutter am … 1995 keinerlei Möglichkeit gehabt, die Auszahlung der angefallenen Zinsen von dem verpflichteten Bruder zu verlangen. Sie habe somit keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die jeweils zu Jahresende angefallenen Zinsen gehabt und sei folglich nicht in der Lage gewesen, über das Stehenlassen der Zinsen und deren Mitverzinsung im Folgejahr zu entscheiden. Der tatsächliche Zufluss der Zinsen im Streitjahr 1996 sei für deren Versteuerung maßgebend. Die Verzinsung der Zinsgutschriften allein sei kein Grund, den Zuflusszeitpunkt abweichend von der tatsächlichen Zahlung anzunehmen, zumal selbst bei abgezinsten Sparbriefen mit Kündigungsrecht die gesamten Zinsen erst am Ende der Laufzeit als wirtschaftlich zugeflossen gälten (etwa die Besteuerung von Zinsen aus Bundesschatzbriefen „Typ B”).

Mit der vorliegenden Klage wollen die Kläger weiterhin die weitgehende steuerliche Freistellung des streitigen Zinsbetrages im Jahr 1996 erreichen. Sie halten daran fest, dass diese Zinsen nicht in einem Betrag zugeflossen seien. Da deren Fälligkeitszeitpunkt vom Todeszeitpunkt der Mutter der Klägerin abgehangen habe und die Zinsen ausdrücklich jährlich vereinbart ge...

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