rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtausübung des Auswahlermessens bei Haftungsinanspruchnahme des Steuerstraftäters. Haftung für Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Erkennt das FA im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme eines Steuerstraftäters nicht, dass grundsätzlich noch eine weitere Person als Haftender in Betracht kommt, so dass es auch kein Auswahlermessen ausübt, ist der Haftungsbescheid nicht rechtswidrig, wenn keine Gründe für die vorrangige Inanspruchnahme des möglichen weiteren Haltungsschuldners erkennbar sind.
Normenkette
AO 1977 §§ 71, 191 Abs. 1, §§ 5, 370; FGO § 102
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Haftung des Klägers für Umsatzsteuerschulden der R-GmbH.
Der Kläger war seit Gründung im Jahre 1991 bis zum 9. Juni 1992 und vom 26. Juli 1993 bis zur Löschung im Handelsregister am 24. Oktober 1994 alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer der R-GmbH sowie gleichfalls Gesellschafter-Geschäftsführer der B-GmbH. Vom 9. Juni 1992 bis 26. Juli 1993 war gemäß der Eintragung im Handelsregister P Geschäftsführer der R-GmbH.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung des Finanzamts … bei der R-GmbH (s. Ermittlungsbericht vom 24. April 1996) hatte die R-GmbH für November 1992 Vorsteuern in Höhe von 47.738,43 DM ohne entsprechenden Beleg abgezogen und für Januar, Februar, März, April und September 1993 aus fünf Rechnungen der B-GmbH, denen tatsächlich keine Lieferungen zugrunde gelegen hätten, Vorsteuern in Höhe von insgesamt 186.066 DM sowie für Juni und Juli 1993 aus weiteren fingierten Rechnungen einer Firma Z – GmbH Versteuern in Höhe von 73.050 DM geltend gemacht.
Aufgrund dieser Feststellungen wurde der Kläger vom Amtsgericht … wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 306.275 DM verurteilt (s. Urteil vom 15. Juli 1998 …, Haftungsakte).
Daraufhin nahm der Beklagte (Finanzamt) den Kläger, gestützt auf §§ 69, 34 und § 71 der Abgabenordnung (AO), mit geändertem Haftungsbescheid vom 4. Februar 1999 in Höhe von 306.275 DM für die offenen Umsatzsteuerschulden 1992 und 1993 der R-GmbH i.L. in Anspruch.
Den Einspruch dagegen wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15. März 2001 als unbegründet zurück.
Dies begründete das Finanzamt damit, dass der Kläger pflichtwidrig und zumindest grob fahrlässig nicht dafür Sorge getragen habe, zutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen und die Umsatzsteuer rechtzeitig zu entrichten. Er habe zudem vorsätzlich Vorsteuern aus Rechnungen angemeldet, obwohl er gewusst habe, dass den Rechnungen keine Lieferungen zugrunde gelegen hätten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage, die er im Wesentlichen noch wie folgt begründet: Der Haftungsbetrag in Höhe von 72.990 DM wegen Umsatzsteuer Juni und Juli 1993, der sich aus Versteuern aus Rechnungen der Z-GmbH zusammensetze, sei aufzuheben. Zu dieser Summe sei er bereits mit Urteil des Amtsgerichts … verurteilt worden. Das Strafmaß sei in einem Deal von dem Rechtsanwalt ausgehandelt worden. Eine Anerkennung des Betrages sei damit nicht verbunden gewesen. Substantiierte Einwendungen und die Ausfuhrpapiere würden noch nachgereicht werden. Schließlich sei der Haftungsbetrag in Höhe von 47.219 DM wegen Umsatzsteuer 1992 in Höhe von 44.627,50 DM aufzuheben, da insoweit die Haftungsschuld durch Verrechnung mit einer Steuererstattung für 1996 in Höhe von 43.427,50 DM sowie durch weitere Einzahlungen von insgesamt 1.200 DM getilgt worden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Haftungsänderungsbescheids vom 04. Februar 1999 die Haftungsschuld auf 186.066 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Klageerwidernd bezieht es sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Auf den ergänzenden Schriftsatz des Finanzamts 05. März 2004 wird verwiesen.
Auf die fristgebundene Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 09. Juli 2001 und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird ebenfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt durfte den Kläger dem Grunde und der Höhe nach für die Umsatzsteuerschulden der R-GmbH auch als Steuerhinterzieher in Haftung nehmen.
1. Wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für Zinsen nach § 235 AO (§ 71 AO).
Der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) ist im Streitfall erfüllt. Der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers im Urteil des Amtsgerichts München vom 15. Juli 1998 liegen hinterzogene Umsatzsteuern der R-GmbH in Höhe von 306.275 DM zugrunde. Zu diesem Ergebnis gelangte das Gericht aufgrund des Geständnisses des Klägers und der Aussagen der einvernommenen Zeugen.
Die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des rechtskräftig gewordenen Straf Urteils des Amtsgerichts … erachtet der Senat für zutreffend und macht sie sich zu Eigen, da...