Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vorsteuerabzug bei leistenden Scheinunternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Vorsteuerabzug ist nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungserstellung tatsächlich bestanden hat.

2) Indizien für das Vorliegen eines Scheinsitzes sind u.a., wenn an dem eingetragenen Firmensitz keinerlei Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion, Behördenkontakte und Zahlungsverkehr stattfindet.

3) Der Leistungsempfänger muss sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des leistenden Unternehmers vergewissern.

4) Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist neben dem Bewirken der Leistung das Vorliegen der Rechnung.

5) Weiß ein Steuerpflichtiger oder hätte er wissen müssen, dass er sich mit einem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung eingebunden ist, ist er für Zwecke der 6. EG-Richtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen und zwar unabhängig davon, ob er aus dem Weiterverkauf der Gegenstände Gewinn erzielt.

 

Normenkette

UStG §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen insbesondere für Mobiltelefonlieferungen eines Unternehmens, das die Umsatzsteuer nicht abgeführt hat.

Die Klägerin war unter der Bezeichnung A. als Einzelunternehmerin tätig. Unternehmensgegenstand war der An- und Verkauf sog. brauner Ware (Fernseher, CD-Spieler und ähnliche Waren). Ab April 2000 handelte sie daneben im großen Umfang mit Mobiltelefonen. Hierdurch steigerte sich der Umsatz der Klägerin von 900.000 DM im April 2000 auf 8,3 Mio. DM im Juli 2000.

Da die Klägerin in der Regel an Abnehmer in der Europäischen Gemeinschaft ohne Umsatzsteuerausweis lieferte, ergaben sich hohe Vorsteuererstattungsansprüche, aufgrund derer der Beklagte in Zusammenarbeit mit der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts I bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 01 – 08/2000 durchführte. Hierbei stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin die Mobiltelefone in großer Stückzahl (Rechnungsbeträge zwischen 300.000 DM und 3 Mio. DM) von der Firma C. GmbH erwarb. Diese Gesellschaft entstand im Oktober 1999 durch Umfirmierung der im selben Jahr gegründeten O. GmbH. Geschäftsführer war Herr S. mit Wohnsitz in F., Italien. Die von der C. GmbH bezogene Ware befand sich in Speditionslagern der T. GmbH mit Sitz in S (Deutschland) sowie der Spedition B.in …, Niederlande. Die Klägerin zahlte die Ware zunächst per Blitzüberweisung auf ein Konto der C. GmbH beim Bankhaus … in I und nachfolgend auf ein Konto bei der U–Bank in der Schweiz. Die Klägerin veräußerte die Mobiltelefone in 12 Fällen an die H., einem Einzelunternehmen von Herrn S. in England, sowie in je einem Fall an die P. in Paris, die Firma M. GmbH in M. (Deutschland) und die Firmen LC. und PC.. Diesen Lieferungen liegen Nettoeingangsrechnungen der C. GmbH (04-08/2000) für die Lieferungen an die H. von 17.163.953 DM sowie von 1.444.916 DM für Lieferungen an die anderen Unternehmen zugrunde. Die Warenbewegung erfolgte direkt aus den Warenlagern der Speditionen. Herr S. war ausweislich der Lieferscheine der Klägerin Fahrer bei der T. Spedition.

Die Umsatzsteuersonderprüfung qualifizierte in Ihrem Prüfungsbericht vom 20.09.2000, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die C. GmbH als Scheinunternehmen. Dem folgend verwehrte der Beklagte wegen Unerwiesenheit des tatsächlich Leistenden der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechungen für den Zeitraum April bis August 2000 in Höhe von 2.977.419,18 DM. Dies begründete der Beklagte damit, dass die C. GmbH an ihren Geschäftssitzen keinen tatsächlichen Geschäftsbetrieb entfaltet habe. An dem zuletzt bekannten Sitz der C. GmbH in der X-str., I (Deutschland) betreibe die Firma PO. ein Büroserviceunternehmen, das keine Büroräume zur Verfügung stellte. Die Post sei von dort aus lediglich an die Firma R. (attn. N.) in Italien weitergeleitet worden.

Alle streitbefangenen Rechnungen der C. GmbH weisen als Sitz des leistenden Unternehmens die X-straße in I (Deutschland) aus.

Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts I handelt es sich bei N. um O. G., geb. J.. In ihren Vernehmungen vom 12.10.2000, 13.10.2000, 02.11.2000, 08.11.2000 sowie 16.11.2000 durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts I (Blatt 27 ff. der Akte 6 V 4775/03 des FG Köln) sowie der Beschuldigtenvernehmungen durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I vom 08.11.2000 und 16.11.2000 gab diese an, dass die Firma R. ein Büroservice-Unternehmen von Herrn L. gewesen sei und sie dort gearbeitet habe. Dorthin seien die Telefonate sowie die Post der Unternehmen von Herrn L. umgeleitet worden. Hierzu hätte u.a. auch die Firma C. gezählt. Gelegentlich habe sie auch für die H. gearbeitet. Herr L. habe in allen Firmen das Sagen gehabt. Die Geschäftsführer S. und D. seien nur Fahrer von E. gewesen, welche die Waren befördert hätten. D...

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