Entscheidungsstichwort (Thema)
Verständigungsverfahren, Einleitung, Ermessen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 2 DBA-Frankreich steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung. In diesem Zusammenhang darf die Behörde auch den Zeitablauf in seine Abwägung mit aufnehmen, da nach langem Zeitablauf die Wahrscheinlichkeit einer Verständigung immer geringer wird und die Aspekte der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens zu beachten sind.
2) Die ablehnende Entscheidung zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens, ist ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde die Ablehnung mit Überlegungen zur Festsetzungsverjährung von Steuerbescheiden sowie damit begründet, dass der Antragsteller bereits zu einem früheren Zeitpunkt in der Lage war, einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu stellen.
Normenkette
FGO § 102; DBA-Frankreich Art. 25 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, ein Verständigungsverfahren nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Frankreich) einzuleiten.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Jahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum 31.03.1998 bei einem französischen Unternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger eine Abfindung, die das deutsche Wohnsitzfinanzamt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1998 mit Bescheid vom 05.05.2001 berücksichtigte. Nach Einspruch erließ das Finanzamt am 13.02.2002 eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung, wodurch der steuerlich zu berücksichtigende Betrag der Abfindung geändert wurde, und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Das hiergegen geführte Klageverfahren hatte gemäß Urteil des Finanzgerichts vom 18.01.2006 keinen Erfolg.
Die französische Finanzverwaltung berücksichtigte die Abfindungszahlung im Rahmen eines Steuerbescheides für das Jahr 1998 vom 21.10.2002. Ein hiergegen im Jahr 2003 eingeleitetes Klageverfahren endete am 30.3.2010 erfolglos.
12.01.2011 beantragten die Kläger die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 DBA-Frankreich wegen der vorliegenden Doppelbesteuerung der Abfindung. Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2012 wegen Verfristung als unzulässig ab. Die vierjährige Antragsfrist habe am 24.10.2002 nach Zugang des geänderten Einkommensteuerbescheides begonnen und sei am 24.10.2006 abgelaufen.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 21.08.2012. Sie vertraten die Auffassung, dass die Antragsfrist erst mit dem Urteil des französischen Gerichts zu laufen begonnen habe. Allenfalls könne auf den 19.02.2007 abgestellt werden, also dem Zeitpunkt, in dem die französische Steuerbehörde Berufung gegen eine Entscheidung im Zusammenhang mit der Freigabe eines gepfändeten Bankguthabens habe einlegen können. Darüber hinaus seien die Kläger steuerlich unerfahren und hätten keine Kenntnis gehabt, dass parallel zu einem Rechtsmittelverfahren ein Verständigungsverfahren hätte eingeleitet werden müssen.
Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.07.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte zum einen auf die in dem BMF-Erlass vom 13.07.2006 geregelte vierjährige Antragsfrist. Darüber hinaus zog der Beklagte Parallelen zu Änderungsvorschriften und Fristabläufen gemäß der Abgabenordnung.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 06.08.2013.
Mit der Klage machen die Kläger geltend, dass das französische Klageverfahren gegen die steuerliche Berücksichtigung der Abfindung zunächst einen erfolgreichen Anfang genommen habe und gepfändete Guthaben freigegeben worden seien. Erst im Jahr 2010 sei unerwartet die Rechtmäßigkeit der französischen Besteuerung bestätigt worden.
Der Beklagte ginge zu Unrecht davon aus, dass die Kläger die Versäumung der Antragsfrist zu vertreten hätten. Sie, die Kläger, hätten kein steuerliches Fachwissen. Ein 2007 im Zusammenhang mit dem französischen Gerichtsverfahren eingeschalteter steuerlicher Fachmann habe auf die Notwendigkeit, einen Antrag zu stellen, nicht hingewiesen. Daher sei jedenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Kläger beantragen,
den Ablehnungsbescheid vom 07.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, im Hinblick auf die Besteuerung der Abfindungszahlung im Veranlagungszeitraum 1998 ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Frankreich einzuleiten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das DBA-Frankreich enthalte keine eigene Antragsfrist. Eine solche enthalte aber das an Art. 25 des OECD-Musterabkommens orientierte BMF-Schreiben vom 13.07.2006.
Danach müsse ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe der maßgebenden Besteuerungsmaßnahme gestellt werden, ansonsten stimme die Finanzverwaltung der Einleitung des Verfahrens nicht zu. Bei der Antragsfrist h...